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Sicherheit im Transportwesen
Im Cockpit: Auch wenn dort zahlreiche elektro- nische Assistenzsysteme zur Verfügung stehen, lautet die Anforderung nach wie vor: Augen auf! © Markus Breig

Verkehrssicherheit : Sicherheit im Transportwesen

Um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, hat die Gefahrgutspedition ABS Bonifer ein umfangreiches Präventionsprogramm etabliert.

Engagement für Sicherheit im Transportwesen

Ein Lastzug, beladen mit Kraftstoff für eine Tankstelle, ist auf der Bundesstrasse unterwegs. Um innerorts einen engen Abzweig nach rechts zu nehmen, muss der Fahrer ausholen. Zwangsläufig weicht er dabei von seiner Fahrspur in Richtung Straßenmitte ab. Gefährlich wird es, wenn in der Zwischenzeit eine Radfahrerin oder ein Radfahrer am rechten Fahrbahnrand zum Stehen gekommen ist.

Ein Fall von totem Winkel: Aus der erhöhten Sitzposition des Lkw sind andere Verkehrsteilnehmende unter Umständen schwer zu erkennen. Und vor allem sind sie nur dann zu erkennen, wenn alle Spiegel am Lkw korrekt eingestellt sind. Zusätzlich kann ein elektronischer Abbiegeassistent dazu beitragen, einen Unfall mit schlimmen Folgen zu verhindern, indem der technische Helfer den Lkw-Fahrer rechtzeitig warnt.

Vorsichtsmaßnahmen beugen Unfällen vor

„Bei allen Vorsichtsmaßnahmen ist man gegen brenzlige Situationen nie gefeit“, erklärt Rico Schiller von der Andreas Bonifer Spedition und Verkehrsunternehmen GmbH & Co. KG, kurz ABS Bonifer. Das Unternehmen ist auf Gefahrguttransporte spezialisiert, Schiller arbeitet als Niederlassungsbetreuer am Standort Nürnberg. Er ist zudem Sicherheitsbeauftragter sowie Fahrmeister. Hierbei handelt es sich um einen Kraftfahrer, der ein spezielles Weiterbildungszertifikat von einem Kunden der Firma ABS Bonifer erhalten hat.

Rico Schiller erinnert sich an einige Beinahe- oder tatsächliche Unfälle, von denen Beschäftigte berichtet haben. Abbiegeunfälle mit tragischen Folgen finden sich in der Statistik des Unternehmens jedoch nicht. Auch Beinahe-Unfälle dieser Kategorie verzeichnet ABS Bonifer mit seinen deutschlandweit 450 Tankfahrzeugen nur minimal. Eine solch niedrige Unfallrate ist im Transportwesen selten. Woher kommt das?

Hohes Sicherheitsniveau bei der Gefahrgutspedition

„Bei ABS Bonifer haben wir ein hohes Sicherheitsniveau erreicht“, berichtet Orhan Bucinca. Er arbeitet als Administrator für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt (Health, Safety, Security, Environment – HSSE) und ist heute aus der Offenbacher Firmenzentrale nach Nürnberg gekommen. Bucinca verweist darauf, dass dieses hohe Sicherheitsniveau unerlässlich ist, wenn man Güter wie Mineralöl, technische Gase und Bitumen transportiert. Bei einem Unfall wären nicht nur Personen betroffen. Das transportierte Gefahrgut würde auch eine Gefahr für die Umwelt darstellen.

Assistenzsysteme für Lkw

Auch die Auftraggeber, besonders Mineralölunternehmen, fordern ein hohes Sicherheitsniveau ein. Seitens der Fahrzeugtechnik setzt ABS Bonifer beispielsweise ergänzend zur Rückfahrkamera auch eine Abbiegekamera ein. Diese wird aktiv, sobald der Blinker gesetzt wurde. Hinzu kommt das Abbiegeradar. Es überwacht die Sattelzugmaschine sowie den Auflieger und reagiert bei jedem Hindernis im toten Winkel, egal ob Mensch, Baum oder geparktes Fahrzeug, mit optischen und akustischen Warnsignalen.

Ebenso Standard sind der Notbremsassistent und der Spurhalteassistent. Beide können vom Führerhaus aus nicht deaktiviert werden. Hierzu erläutert Josef Frauenrath, Leiter der Münchener Regionalabteilung Prävention bei der Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr): „Dies entspricht einer zentralen Forderung der BG Verkehr, da die Erfahrung zeigte, dass Fahrerinnen und Fahrer dazu neigen, die vermeintlichen Nervensägen auszuschalten.“

Der Fahrer ist entscheidend

„Trotz aller Technik: Die Person, die am Steuer sitzt, ist und bleibt die wichtigste Schaltstelle“, betont Orhan Bucinca. Denn die Reaktion der Fahrerin oder des Fahrers kann in vielen Fällen das Schlimmste verhindern. Wenn es aber zum Unfall kommt, hat das oft auch schwere Folgen für das Fahrpersonal, ob körperlich verletzt oder nicht: „Posttraumatische Belastungsstörungen können eine Folge sein“, weiß Josef Frauenrath.

Spiegel am Lkw optimal einstellen

Um die Kompetenz des „Faktors Mensch“ zu stärken, hat ABS Bonifer gehandelt. Es reicht nicht, die besten Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Ihre Benutzung muss auch trainiert werden.

Ein Beispiel sind die Spiegel, von denen es zahlreiche gibt. Zur Ausstattung der Lkw gehören, abgesehen von den beiden Hauptspiegeln: ein Anfahrspiegel mit Blick auf den Raum direkt neben der Zugmaschine, zwei Weitwinkelspiegel für den dahinterliegenden Bereich zwischen Zugmaschine und Auflieger sowie ein Frontspiegel. „Er erfasst das, was sich vor dem Kühler befindet und für die Fahrerin oder den Fahrer in der normalen Sitzposition nicht sichtbar ist“, erläutert Karlstedt. Rund 20 Schulkinder könnten sich dort verstecken, gäbe es den Frontspiegel nicht.

Das hat ABS Bonifer in einem Versuch ausprobiert. Wenn alle Spiegel optimal eingestellt sind, gibt es den toten Winkel theoretisch nicht mehr. Entscheidend aber bleibt im Transportwesen die Praxis: Bei ABS Bonifer ist das korrekte Einstellen der Spiegel standardisiert. Dafür gibt es an jedem Betriebsstandort einen Spiegeleinstellplatz. Es handelt sich um ein Konzept der BG Verkehr, das vom Unternehmen aufgegriffen und umgesetzt wurde. Der Sicherheitsbeauftragte Rico Schiller erklärt: „Ohne Einstellstopp verlässt bei uns kein Lkw den Betriebshof.“

Planset zur Spiegeleinstellung

Orhan Bucinca, Rico Schiller und Josef Frauenrath schreiten zur Live-Demonstration. Gemeinsam erläutern sie das von der BG Verkehr entwickelte Planenset zur Spiegeleinstellung: Vorne und rechts um den Lkw ausgelegt, zeigen die Planen mit unterschiedlichen Farben flächig die von den Spiegeln zu erfassenden Bereiche: Orange für den Frontspiegel, Gelb für den Anfahrspiegel, Blau für den Weitwinkelspiegel und Grün für den Hauptspiegel.

Die Bereiche sind seitenverkehrt mit ihrer Funktion beschriftet. Im Führerhaus hat Maik Karlstedt Platz genommen. Er ist ebenfalls Fahrmeister. Karlstedt stellt die Spiegel ein und erklärt: „Wenn sie passen, kann ich darin beobachten, wie ein Mensch einmal rund um den Lkw läuft.“ In anderen Niederlassungen von ABS Bonifer wurden die Planen bereits durch feste Bodenmarkierungen ersetzt. Der Standort Nürnberg wird in Kürze folgen.

Hinweise für die Benutzung von Spiegel-Einstellplanen gibt es bei der BG Verkehr.

Druck vom Fahrpersonal im Transportwesen nehmen

Fahrerinnen und Fahrer sind letztlich die entscheidenden Sicherheitsfaktoren. Eine gute Ausbildung sowie laufende Weiterbildung sind unerlässlich. Bei ABS Bonifer sind die Themen Sichtbarrieren und toter Winkel eingebettet in Schulungen zur Unfallverhütung, zum Rangieren, zum Thema Müdigkeit und zum defensiven Fahren. Vorausschauendes und defensives Verhalten ist eine ausgesprochen effektive Methode, um potenzielle Unfallsituationen zu vermeiden.

Rico Schiller: „Dazu gehört etwa, mit kurzem Anbremsen dem nachfolgenden Verkehr über die Bremsleuchten zu signalisieren, dass der Lkw demnächst langsamer wird. Wir vermitteln dem Fahrpersonal, an Ampeln oder im Stau vergrößerten Abstand zum Vorausfahrenden zu halten. So kann man bei Bedarf nach vorne ausweichen. Und nicht zuletzt legen wir Wert darauf, anderen Verkehrsteilnehmenden mit Blickkontakt und Freundlichkeit zu begegnen.

Überhaupt, gelassen zu bleiben und ein ruhiges Fahrverhalten zu pflegen.“ Dazu leistet auch das Unternehmen seinen Beitrag: „Bei uns wird das Fahrpersonal nicht unter Druck gesetzt“, betont Schiller. „Auch nicht bei Terminware. Gibt es Stau, eine Panne oder andere zeitkritische Situationen, lautet die Devise: Bitte umgehend melden!“ Dann entscheidet ABS Bonifer, wie die Situation zu bereinigen ist – indem man beispielsweise Kontakt mit der Entladestelle aufnimmt.

Analyse und Bewertung der Route

Um das Fahrpersonal zu entlasten, wird jede Route von der Ladestelle bis zur Entladestelle analysiert und bewertet. Gefahrenpunkte wie etwa Schulen oder Kindergärten sind, sofern sie nicht umfahren werden können, besonders hervorgehoben.

Am Zielort, etwa an einer zu beliefernden Tankstelle, kann die Fahrerin oder der Fahrer auf der sogenannten On-Board-Unit eine Planzeichnung des Lieferortes aufrufen. Daraus ist zu entnehmen, wie man die Tankstelle idealerweise anfährt und wo sich die Füllschächte befinden. „Das reduziert Stress, einfach weil man weiß, was auf einen zukommt“, bestätigt Maik Karlstedt aus eigener Erfahrung.

Für Beinahe-Unfälle sensibilisiert

Trainings zu besonderen Fahrsituationen unterstützen unsere Präventionsanstrengungen ebenfalls“, berichtet Rico Schiller. Zum Beispiel das sogenannte Anti-Rollover-Training. Es vermittelt, dass Kurven vorsichtig zu durchfahren sind, weil der Lkw – im Unterschied zum Pkw – sonst ohne Vorwarnung zur Seite kippen kann.

Daraus entstand die interne Anweisung, Kreisverkehre mit maximal zehn Stundenkilometern zu befahren. Gezielt wird auch das Bewusstsein der Belegschaft geschärft: Jede Fahrerin und jeder Fahrer ist verpflichtet, einmal im Jahr eine sogenannte Near-Miss-Situation zu melden, also eine in ihren oder seinen Augen potenziell gefährliche Situation. „Auch wenn die Ereignisse zunächst unbedeutend erscheinen, kann ihre Analyse helfen, Tendenzen zu erkennen“, sagt Schiller. Tendenzen, aus denen sich bei Zunahme neue Vorsichtsmaßnahmen ableiten und entwickeln lassen.

Ausgezeichnetes Präventionsprogramm

ABS Bonifer hat gehandelt und in Zusammenarbeit mit seinen Auftraggebern sowie der BG Verkehr sein Präventionsprogramm über Jahre hinweg deutlich ausgebaut. Das wurde auch durch die Branche gewürdigt: Im November 2019 erhielt das Unternehmen den ersten Preis im Wettbewerb „Unterwegs – aber sicher“, ausgeschrieben vom Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit (VDSI) sowie vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Respekt!