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Sicherheitsfaktor Licht
Sicherheitsbeauftragte Nicole Ludwig geht mit offenen Augen und hoher Einsatzfreude durch die Arbeitswelt. Ideen für Verbesserungen findet sie immer wieder. © Jessica Schäfer

Arbeitssicherheit : Sicherheitsfaktor Licht

Schlechtes Licht am Arbeitsplatz schadet der Gesundheit von Beschäftigten und erhöht die Unfallgefahr. So hat der Hygienepapierkonzern Essity sein Beleuchtungskonzept optimiert.

Außergewöhnliche Einfälle zahlen sich aus. Was nach einer unternehmerischen Binsenwahrheit klingt, kann nachhaltig das Wohlbefinden im Betrieb und die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöhen. Das zeigt das Beispiel des Hygienepapierunternehmens Essity, das am Standort Witzenhausen in Hessen sein Beleuchtungskonzept Schritt für Schritt verbessert. Dabei setzt das Unternehmen unter anderem auf Ideen der Belegschaft.

So geschehen vor zwei Jahren, als der Betrieb neue Anlagen zum Scannen von Strichcodes an Paletten einführte. Nicole Ludwig ist seit 2008 Sicherheitsbeauftragte bei Essity am Standort Witzenhausen. Sie erinnert sich: „Damit die Scanner die Palettencodes einlesen können, sind sie mit einer speziellen Beleuchtung ausgestattet. Das grelle rote Licht sollte allerdings niemanden von den Kolleginnen und Kollegen blenden, die gegenüber der Anlage im Versandbüro arbeiteten.“

Die Lösung für das Problem war so einfach wie effektiv: Die Kollegen aus der Werkstatt ummantelten die Scanner kurzerhand mit Blech. „Seitdem können die Strichcodes gescannt werden, ohne dass dabei jemand geblendet wird“, erklärt Nicole Ludwig.

Gut zu wissen

Die Essity Operations Manheim GmbH wurde 2018 von der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) in der Kategorie Präventionskultur mit dem BG RCI VISION ZERO Förderpreis ausgezeichnet. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben. Bewerben können sich Unternehmen, Einzelpersonen oder Teams. Mehr Informationen gibt es auf der Website des Förderpreises.

Optimales Maß an Hell und Dunkel

Das Beispiel verdeutlicht, dass ein betriebliches Beleuchtungskonzept komplexer ist, als es auf den ersten Blick scheint. Wollen Betriebe für optimale Lichtverhältnisse sorgen, genügt es nicht, einfach ein paar hellere Lampen anzuschaffen. Denn auch ein Zuviel an Licht kann stören und im schlimmsten Fall Unfälle verursachen. Etwa wenn geblendete Beschäftigte Hindernisse auf dem Boden übersehen.

Aufmerksame Sicherheitsbeauftragte, die auf solche Probleme hinweisen, sind für Unternehmen wie Essity daher sehr wichtig. Dies bestätigt auch Nicole Ludwig: „Ich versuche stets, mit offenen Augen durch die Arbeitswelt zu gehen. Auch wenn ich hier bereits mehrere Jahre tätig bin, fällt mir doch immer wieder etwas auf, das verbessert werden kann.“

Während das grell rote Licht der Scanner abgedunkelt werden musste, weil es die Beschäftigten störte … © Jessica Schäfer
... ist an anderen Arbeitsplätzen helles Licht gefragt. Zum Beispiel bei der Qualitätskontrolle. © Jessica Schäfer

Moderne Beleuchtung ermöglicht Detailarbeiten

Während an den Scan-Anlagen ein Blendschutz störendes Licht abdunkelt, kommt es an anderen Arbeitsplätzen bei Essity auf Helligkeit an. Kürzlich rüstete das Unternehmen in der Produktionshalle von herkömmlichen Leuchtstoffröhren auf moderne LED-Beleuchtung um. „Das macht die Halle wesentlich heller und ermöglicht ein angenehmeres Arbeiten“, sagt Bernd Witzke, Fachkraft für Arbeitssicherheit.

Zu den Aufgaben der Beschäftigten gehören regelmäßige Qualitätsproben des dort hergestellten Toilettenpapiers. „Dafür müssen die Kolleginnen und Kollegen mit dem Messer einzelne Blätter von großen Rollen der Papiermaschine schneiden und sie anschließend analysieren. Das ist Feinarbeit, bei der eine gute Beleuchtung entscheidend ist“, erklärt Bernd Witzke. Die neuen LED-Leuchten bringen eine Beleuchtungsstärke von etwa 800 Lux – doppelt so viel wie zuvor.

Bernd Witzke kümmert sich unter anderem um die ergonomische ­Beleuchtung bei Essity. © Jessica Schäfer

Wie Licht empfunden wird, ist individuell

So wichtig ein helles Arbeitsumfeld ist, so unterschiedlich nehmen es Einzelpersonen wahr, wie die Fachkraft für Arbeitssicherheit weiß: 
„Ob wir Licht als angenehm empfinden, ist sehr individuell: Die eine Person mag es gerne hell, die andere braucht es etwas dunkler. Daher war es uns wichtig, dass Mitarbeitende die Beleuchtung am Arbeitsplatz an ihre Bedürfnisse anpassen können.“ Die Reihen der LED-Leuchten an der Decke lassen sich deshalb einzeln ein- und ausschalten.

„Die Beschäftigten haben es so selbst in der Hand, wie hell sie es gerne haben möchten“, sagt Bernd Witzke. Zu dunkel wird es dadurch aber trotzdem nicht: Bereits eine einzelne Reihe der LED-Leuchten schaffe mehr Helligkeit als die Leuchtstoffröhren von früher. Betriebe müssen sich dabei an der Arbeitsstättenverordnung orientieren, die für verschiedene Tätigkeiten bestimmte Mindestanforderungen für die Beleuchtung vorschreibt.

Tipp zum Weiterlesen

Mehr über die Vorschriften zur Beleuchtung von Arbeitsstätten und wie diese praktisch umgesetzt werden, verrät eine Publikation der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Abends fördert Beleuchtung mit 
wenig Blauanteilen die Gesundheit

Ein weiterer wichtiger Aspekt beim betrieblichen Beleuchtungskonzept ist die Lichtfarbe. Licht mit einem hohen Blauanteil kann abends und nachts beispielsweise zu Konzentrations- und Schlafstörungen führen. Der Grund: Es hemmt nachweislich die Produktion von Melatonin, dem Hormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus beim Menschen steuert. Im gesamten Produktionsbereich von Witzenhausen verbreiten die LED-Lampen daher ein neutral-weißes Licht mit wenig Blauanteilen.

Welche Lichtfarbe für welchen Arbeitsplatz geeignet ist, hängt auch davon ab, welche Atmosphäre (beispielsweise gemütlich oder anregend) erzeugt werden soll. Grundsätzlich ist bei einer gleichbleibenden Lichtfarbe ein Neu­tralweiß (3.300 bis 5.000 Kelvin) empfehlenswert. Nachts sollten es hingegen nicht mehr als 4.000 Kelvin sein.

Monitore mit Blaulichtfilter

Auch an den Büroarbeitsplätzen bei Essity spielt die Lichtfarbe eine immer wichtigere Rolle. So hat der Betrieb Monitore mit Blaulichtfilter angeschafft, die den Blauanteil im Licht am Abend reduzieren.

In der dunklen Jahreszeit können 
Beschäftigte zusätzlich Tageslichtlampen nutzen, um dem Winterblues den Garaus zu machen. „Die Lampen können verschiedene Tageszeiten wie Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang simulieren“, erzählt die Sicherheitsbeauftragte Nicole Ludwig. Lichtfarbe und Helligkeit seien regulierbar.

Mirjam Wagner ist für das Gesundheitsmanagement zuständig und nutzt die Ideen der Beschäftigten, um die Arbeitsplätze ­sicherer und ergonomischer zu gestalten. © Jessica Schäfer

Gefahrenbereiche gut ausleuchten, um Unfälle zu vermeiden

Um Beschäftigte auch außerhalb des Betriebsgebäudes vor Unfällen zu schützen, wurden im Außenbereich an schlecht einsehbaren Stellen solarbetriebene LED-Leuchten installiert. 
Mirjam Wagner, die Verantwortliche für Gesundheitsmanagement, erklärt: „Diese Leuchten funktionieren wie Straßenlaternen mit Dämmerungsschalter. Sie sorgen vor allem an den Treppen dafür, dass Geländer und Stufen auch im Dunkeln gut sichtbar sind.“

Vorher befanden sich hier alte Schirmlampen mit geringer Strahlkraft. „Eine unzureichende Beleuchtung kann jedoch dazu führen, dass Mitarbeitende einzelne Stufen übersehen und stürzen“, warnt Bernd Witzke. Die neuen LED-Lampen erhellen jetzt das Außengelände, ohne die Beschäftigten zu blenden.

4 Tipps für eine gesunde Beleuchtung

So können sich Sicherheitsbeauftragte einbringen:

  • Anschalten: Für helle Arbeits­umgebung sorgen, indem sie in Innenräumen das Licht anknipsen.
  • Anstoßen: Bei Führungskräften Beleuchtung und Computerbildschirme mit Blaulichtfiltern anregen.
  • Anregen: Kolleginnen und Kollegen dazu animieren, die Pause draußen im 
Freien zu verbringen, um Tageslicht zu tanken.
  • Aufdecken: Kolleginnen und Kollegen aktiv ansprechen und in Erfahrung bringen, ob sie die Beleuchtung als angenehm empfinden. Missstände bei Führungskräften melden.

Feedback der Mitarbeitenden als Teil der Sicherheitskultur

Bei allen Optimierungen nutzt Essity stets den Input seiner Beschäftigten. „Wir befinden uns in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, in den alle Mitarbeitenden eingebunden sind. Jeder und jede kann dabei Ideen einbringen“, bekräftigt Mirjam Wagner. Dadurch seien bestimmte Verbesserungsbedarfe überhaupt erst zutage getreten – etwa dass in manchen Bereichen helleres Licht sinnvoll wäre.

Die Ideen und Vorschläge aus der Belegschaft aufzunehmen und weiterzutragen, ist auch zentrale Aufgabe der Sicherheitsbeauftragten bei Essity. Nicole Ludwig berichtet aus eigener Erfahrung: „Es ist wichtig, dass wir ansprechbar sind und uns Zeit fürs Zuhören nehmen. Am Ende zahlt sich das immer aus! Denn von den Mitarbeitenden bekommen wir genau das Feedback, das wir für positive Veränderungen und mehr Sicherheit im Betrieb dringend benötigen.“