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Arbeitsschutz beim 3-D-Druck
Das Rüsten für die additive Fertigung kann bis zu anderthalb Stunden dauern. Die Beschäftigten tragen dabei eine Atemschutzhaube mit Luftzufuhr. © Foto: David Spaeth

Arbeitssicherheit : Arbeitsschutz beim 3-D-Druck

Beim 3-D-Druck kommen häufig gesundheitsgefährdende Stoffe zum Einsatz, unter anderem feinkörniges Pulver aus Nickel. So gelingt der Schutz vor Gefahrstoffen.

Mit einer kleinen Handbewegung hält Christoph Barth den Chip seines Schlüsselbundes an einen Sensor. Die Tür öffnet sich und er betritt eine von vielen Fertigungshallen des Metallverarbeitungsunternehmens Toolcraft im mittelfränkischen Georgensgmünd. Von außen unterscheidet sich die Halle kaum von den anderen, in denen Fräs- oder Drehmaschinen stehen.

„Hier ist es aber bedeutend leiser. Und zugangsberechtigt sind nur Beschäftigte, die eine spezielle Arbeitsschutzunterweisung durchlaufen haben“, sagt der Materialwissenschaftler und -techniker. Seit Jahresbeginn ist er auch Sicherheitsbeauftragter im Bereich der additiven Fertigung – auch 3-D-Druck genannt. Grund für die vielen Sicherheitsmaßnahmen in dieser Halle ist das gesundheitsgefährdende Pulver, mit dem die Beschäftigten hier arbeiten.

3-D-Druck mit gesundheitsgefährdendem Pulver

Mithilfe verschiedener Verfahren entstehen bei der additiven Fertigung komplexe Bauteile. Im Unternehmen Toolcraft sind das sehr kleinteilige, dünnwandige Elemente, etwa für die Luft- und Raumfahrt. „Wir fertigen sie mithilfe eines Laserstrahls, der auf ein Pulverbett trifft und das Pulver verschmilzt. Stück für Stück entsteht das Werkstück und ist später vom nicht verschmolzenen Pulver umgeben“, erklärt Barth.

Ohne Schutzmaßnahmen ist diese Fertigungsweise mit hohen Risiken verbunden. Das Pulver ist sehr fein und könnte so leicht in die Atemwege gelangen. Zudem enthält es je nach Bauprojekt Nickel, Titan, Aluminium, Brom oder Kupfer – also stark gesundheitsschädliche Komponenten.

Der pulvrige Werkstoff beim Pulverbettverfahren ist gesundheitsschädlich. © Foto: toolcraft

Gut zu wissen

So funktioniert das Pulverbettverfahren:

  • Das Pulverbettverfahren (oder engl. Laser Pulver Bed Fusion) gehört zu den additiven Fertigungsverfahren.
  • Mit einem Laserstrahl wird Pulver verschmolzen. Das Bauteil baut sich schichtweise auf.
  • Das fertige Bauteil liegt vollständig, vom nicht verschmolzenen Pulver umgeben, im sogenannten Pulverbett. Das Pulver ist ein Gefahrstoff.
  • Mögliche Werkstoffe sind zum Beispiel pulvrige Metalle, Kunststoffe oder Keramik. Ihre Merkmale muss der Arbeitsschutz berücksichtigen.

Pulverbettverfahren: Schädigung der Atemwege und Kontaktallergien drohen

„Beim Arbeitsschutz müssen wir die gesamte Bandbreite an Gefahrstoffen berücksichtigen – explosionsgefährdende, genschädigende, umweltgefährliche und kanzerogene, also krebsauslösende Stoffe“, sagt der Sicherheitsbeauftragte. Gelangt das Pulver in die Atemwege, kann es aufgrund der geringen Partikelgröße bis in die kleinsten Verästelungen der Lunge vordringen, diese stark schädigen oder sich zu gefährlichen Konzentrationen anreichern. Darüber hinaus können bei Berührung mit der Haut Kontaktallergien auftreten, etwa bei Nickel.

Um die Gesundheit der mehr als 400 Beschäftigten an den Standorten Georgensgmünd und Spalt zu schützen, setzen sich Geschäftsleitung, Führungskräfte, eine externe Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie Sicherheitsbeauftragte und Beschäftigte gemeinsam ein. Fragen rund um den Arbeitsschutz beantwortet zudem die zuständige Aufsichtsperson der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), Ralf Stiefermann. Im Fokus seiner Beratung stehen beispielsweise die Gefährdungsbeurteilung und die Schutzmaßnahmen des Betriebs. Deren Wirksamkeit wurde unter anderem durch Gefahrstoffmessungen seitens der BGHM geprüft.

Arbeiten beim Arbeitsschutz eng zusammen: Verfahrenstechnikerin Sandra Gruner und Materialtechniker ­Christoph Barth. © Foto: David Spaeth

Beim 3-D-Druck wird Raumluft mehrfach ausgetauscht

In kleinen, weißen Plastikbehältern lagert das Pulver in Sicherheitsschränken direkt in der Werkshalle. „Nachdem es die Kolleginnen und Kollegen im Wareneingang geprüft und für die Produktion freigegeben haben, kommt es nicht wie andere Werkstoffe ins Zentrallager, sondern zu uns“, erklärt die Verfahrenstechnikerin Sandra Gruner.

„Denn hier herrschen kontrollierte Bedingungen, um das Pulver sicher lagern zu können“, so Gruner. Sie spielt damit auf die konstanten Klimaverhältnisse und das Lüftungssystem an, das für den Arbeitsschutz in der Halle essenziell ist. „Die Luft wird mehrmals pro Stunde vollständig ausgetauscht. Die Luftzufuhr kommt von oben, während am Boden Luft abgesaugt wird. Eventuell austretendes Pulver würde sofort in Richtung Boden gedrückt und abgesaugt werden.“

Atemschutzhaube mit Frischluftzufuhr schützt beim 3-D-Druck

So wappnet sich Toolcraft für den Fall, dass trotz aller Vorsichtsmaßnahmen der Werkstoff frei werden sollte. Normalerweise sollte dies aber nicht passieren. Denn die Beschäftigten sind darin geschult, den pulvrigen Werkstoff ausschließlich verschlossen zu lagern und zu transportieren.

Auch während die Maschinen laufen, befindet sich das Pulver in einem geschlossenen, nach außen hin abgekapselten System. Kritisch sind hingegen Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte mit dem Pulver offen umgehen. Das ist dann der Fall, wenn sie die Maschine für einen 3-D-Druck vorbereiten, das fertige Bauteil entnehmen und es entpulvern. „Beim sogenannten Rüsten wird der Maschine neues Pulver hinzugefügt und gesiebt. Das kann bis zu anderthalb Stunden dauern und wäre ohne geeignete Schutzmaßnahmen besonders riskant“, legt Christoph Barth dar.

Bei der Lagerung der Gefahrstoffe müssen die Beschäftigten darauf achten, diese stets in den richtigen Mengen und Arten zusammen zu lagern. © Foto: David Spaeth

Tipp zum Weiterlesen

Weitere Informationen zu Gefährdungen beim 3-D-Druck liefert die 2022 aktualisierte DGUV Information 213-033 Gefahrstoffe in Werkstätten. Hier wurde ein Kapitel zu 3-D-Druck ergänzt.

Vorbild für Kolleginnen und Kollegen

„Wenn Beschäftigte lange direkt mit dem Pulver arbeiten, müssen sie eine Atemschutzhaube mit eigener Luftzufuhr und einem Filter tragen. Unter der Haube selbst besteht ebenfalls Überdruck, sodass kein Pulver in die Haube gelangen kann“, sagt Barth. Der Sicherheitsbeauftragte ist für die hohe Bedeutung der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) sensibilisiert.

Obwohl er als Materialwissenschaftler vor allem im Labor arbeitet, ist er regelmäßig in der Fertigung unterwegs. Unter anderem achtet er darauf, ob die Personen, die die Maschinen bedienen, die richtige PSA tragen und diese auch gut sitzt. „Dabei schaue ich auch immer auf mich selbst, dass ich meine PSA korrekt trage und so meine Vorbildfunktion wahre“, legt Barth dar.

Arbeitsschutz bei Toolcraft

  • Betriebliche Messungen: Für Gefahrstoffe gelten Grenzwerte bzw. Akzeptanzkonzentrationen. Die BGHM hat die Wirksamkeit der Maßnahmen durch betriebliche Messungen überprüft. Die Werte lagen signifikant unter den gesetzlich vorgeschriebenen.
  • Expositionsdatenbank: Gesundheitliche Folgen können noch Jahrzehnte später auftreten. Bei der erforderlichen Dokumentation unterstützt die DGUV mit der Zentralen Expositionsdatenbank (ZED). Sie erfasst, welche Beschäftigten in ihrem Berufsleben krebserregenden Stoffen ausgesetzt sind. Bevor die Daten erfasst werden, müssen die Beschäftigten einwilligen.
  • Wissenstransfer: Den Erfahrungsschatz zum Arbeitsschutz bei additiven Fertigungsverfahren gibt Toolcraft an andere Unternehmen weiter, etwa bei Schulungen (AMbitious).

Hautschutzplan informiert über Hautpflege bei Feuchtearbeit

Die Atemwege beim 3-D-Druck zu schützen, ist wichtig. Genauso wenig vernachlässigt werden darf der Hautschutz. Bei Toolcraft verwenden die Beschäftigten je nach Arbeitsaufgabe dafür ganz unterschiedliche Handschuhe. „Im Labor tragen die Kolleginnen und Kollegen Chemikalienschutzhandschuhe. Beim Rüsten der Maschinen sind es Einweg-Nitrilhandschuhe. In manchen Situationen können Wärmeschutzhandschuhe notwendig sein“, zählt der Sicherheitsbeauftragte auf.

Wenn Beschäftigte bei der Arbeit häufig und lange Handschuhe tragen müssen, gilt dies je nach Handschuh als Feuchtearbeit. Die Haut benötigt dann besondere Zuwendung. An jedem Waschbecken hängt deshalb ein Hautschutzplan. Außerdem gibt es verschiedene Seifen und Hautpflegeprodukte. „Beschäftigte werden darin unterwiesen, wann sie welches Produkt verwenden sollten. Um Veränderungen der Haut frühzeitig festzustellen, bietet unser Unternehmen zudem Vorsorgeuntersuchungen an“, erklärt Barth.

Arbeitsschutz beim 3-D-Druck berücksichtigt auch Lärm

Mitarbeitende, die nach dem 3-D-Druck das fertige Bauteil nachbearbeiten, gilt es zudem, vor Lärm zu schützen. „In unserer Halle ist es vergleichsweise ruhig. Aber wir haben auch Lärmzonen“, sagt Sandra Gruner. Deshalb trifft das Unternehmen technische und organisatorische Schutzmaßnahmen – und stattet die Beschäftigten mit PSA aus. „Für sie gibt es personalisierten Gehörschutz“, so Gruner.

„Durch die exakte Passform ist er angenehm zu tragen und wird von den Beschäftigten gut angenommen.“ Angefertigt wird der personalisierte Gehörschutz von einem externen Dienstleister. „Wenn dieser zu uns kommt, mache ich im Unternehmen darauf aufmerksam und versuche, die Kolleginnen und Kollegen zu motivieren, das Angebot wahrzunehmen“, sagt der Sicherheitsbeauftragte Christoph Barth.

Zusammen für besseren Arbeitsschutz beim 3-D-Druck © Foto: David Späth

Zu Gefahren des pulvrigen Werkstoffs beim 3-D-Druck informieren

Schwerpunkt der Präventionsmaßnahmen ist aber, ein Freiwerden des Pulvers zu verhindern. „Deshalb werden alle unsere Beschäftigten darin geschult, wie sie mit dem Pulver richtig umgehen“, sagt Uwe Schulmeister. Er leitet den Bereich der additiven Fertigung und treibt seit Jahren den Arbeitsschutz bei Toolcraft voran.

Dass es noch keine spezifische Ausbildung für die additive Fertigung gibt, mache es nicht einfacher: „Neue Beschäftigte haben zwar meist einen technischen Hintergrund und kennen auch die Werkstoffe – aber in fester Form. Diese sind relativ unbedenklich. Den neuen Kolleginnen und Kollegen dann klarzumachen, dass die pulvrige Form sie so gefährlich macht, ist schon ein Stück Arbeit“, sagt Schulmeister.

Tipp zum Weiterlesen

Umfassende Hilfe bietet die Richtlinie VDI 3405 Blatt 6.1 Anwendersicherheit beim Betrieb der Fertigungsanlagen Laser-Strahlschmelzen von Metallpulvern.

Ehrenamt als Bereicherung

Christoph Barth unterstützt das Unternehmen beim Arbeitsschutz: „Wenn man sich die Datenblätter der Stoffe durchliest, wird es einem schon manchmal bange. Dann bin ich sehr froh, dass wir hier ein solch gutes Sicherheitskonzept haben – an dem ich aktiv mitarbeiten kann.“ Sein Ehrenamt als Sicherheitsbeauftragter empfindet er als bereichernd. „Dass wir gemeinsam den Beschäftigten dabei helfen, ihre Gesundheit zu erhalten, macht mich stolz.“