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Beschäftigte der Basis stärker in den Fokus rücken
Von Autoindustrie über Onlinehandel bis Landwirtschaft: Mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten üben laut dem Bundesarbeitsministerium Tätigkeiten an der Basis aus. © GettyImages/South Agency

Arbeitssicherheit : Beschäftigte der Basis stärker in den Fokus rücken

Menschen, die Basisarbeit verrichten, sind in vielen Branchen unverzichtbar. Beim Arbeitsschutz gibt es jedoch häufig Verbesserungspotenzial.

Sie arbeiten bei Bringdiensten und sorgen in der Logistik dafür, dass alles weiterläuft. Sie reinigen Gebäude, helfen in der Pflege, am Flughafen oder auf dem Bau. Wer in Basis- oder Einfacharbeit beschäftigt ist, leistet essenzielle und wichtige Arbeit – was nicht zuletzt die Pandemie bewusst machte: Sie hat gezeigt, dass es vielfach Basisarbeitende sind, die dafür sorgen, dass das System funktioniert.

Dennoch bleiben Basisarbeitende oft außen vor. Nicht zuletzt deshalb gilt es, deren Arbeitsbedingungen in den Blick zu nehmen, damit Beschäftigte gesund und sicher arbeiten.

Was bedeutet Basisarbeit?

Bisher gab es für diese Arbeit verschiedene Begriffe. Man sprach von Einfacharbeit und es gibt deutliche Überlappungen zum sogenannten Niedriglohnsektor. „Der Begriff ‚Basisarbeit‘ fasst diese Vielfalt zusammen und beschreibt sie positiv: Die Beschäftigten in diesem Sektor bilden die Basis, auf die man bauen kann. Basisarbeit ist demnach genau das Gegenteil von Tätigkeiten, bei denen es nicht auffällt, wenn sie fehlen“, fasst es Dr. Marc Bovenschulte vom Institut für Innovation und Technik (IIT) zusammen.

Mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten üben laut dem Bundesarbeitsministerium Tätigkeiten an der Basis aus. Von Autoindustrie über Onlinehandel bis Landwirtschaft: In nahezu allen Branchen gibt es Basisarbeit.

Dr. Christian Felten, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (Basi) © Fabian Haas

Wie ist es um den Arbeitsschutz an der Basis bestellt?

Dr. Christian Felten, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (Basi), meint: „Das Arbeitsschutzgesetz mit seinen Verordnungen gilt ohne Wenn und Aber für Basisarbeitende ebenso wie für alle anderen auch.“ Für den Arbeitsschutz im Betrieb sei es wichtig, für jede Tätigkeit – auch in der Basisarbeit – zu einer umfassenden Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach dem Arbeitsschutzgesetz zu kommen. Nur so lasse sich feststellen, ob und wo etwa Verletzungsgefahren oder Gefährdungen durch Einwirkungen von Gefahrstoffen oder Stäuben drohen.

Nach dieser Gefährdungsbeurteilung müssen Schutzmaßnahmen für jede Tätigkeit festgelegt werden. Gegebenenfalls kann auch erst dann weitergearbeitet, nachdem solche Maßnahmen umgesetzt wurden. Außerdem muss sich nach Meinung von Dr. Felten in Betrieben noch stärker durchsetzen, dass sich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit für Basistätigkeiten lohnen: „Geld, das in betriebliche Prävention investiert wird, ist auf jeder Ebene sinnvoll angelegt – für das Unternehmen und für alle Beschäftigten.“

Gefährdungsbeurteilung weiterdenken

„Eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen heißt im Prinzip auch: Die Gefährdungsbeurteilung weiterdenken!“, erklärt der Arbeitsschutz-Spezialist. Dies entspricht seiner Ansicht nach einem ganzheitlichen Ansatz im Arbeitsschutz, in dem auch positive Faktoren berücksichtigt werden – und nicht nur manifeste Gefährdungen wie Lärm, Strahlung oder krebserzeugende Gefahrstoffe.

Es gehe darum, andere Faktoren guter Arbeit einzubeziehen, wie etwa wertschätzenden Umgang im Betrieb, Mitsprache, Teilhabe und die Möglichkeit, die Arbeitszeiten in gewissem Rahmen selbst zu bestimmen.

Digitalisierung – Fluch oder Segen?

„Mittlerweile hat die Digitalisierung auch den Bereich Basisarbeit erreicht. Fluch oder Segen, das ist hier die Frage, aber wir haben es zum jetzigen Zeitpunkt noch in der Hand“, mahnt Dr. Felten. Er führt das Beispiel der Exoskelette an. Eigentlich sollen sie die Arbeit erleichtern – aber sie könnten ohne stichhaltige Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme der Tätigkeiten auch so eingesetzt werden, dass die Belastung der Beschäftigten überhaupt nicht minimiert wird, sondern nur die Arbeitsleistung gesteigert wird. Diese Gefahr droht laut dem Experten beispielsweise bei der Müllabfuhr.

Die Unterweisungen zum Arbeitsschutz werden nach seinen Worten vielfach nicht wie notwendig durchgeführt. Dr. Felten: „Dabei ist die Unterweisung vor und wiederholt während der Tätigkeiten oft das wichtigste Instrument für Sicherheit und Gesundheit von alles Beschäftigten.

Sie darf nicht nebenbei geschehen, sondern muss so ausführlich wie nötig während der Arbeitszeit und idealerweise am Arbeitsplatz gemacht werden. Nur so wissen die Beschäftigten, wie sie sich zum Beispiel in Krisensituationen sicher verhalten sollen und können.“

Niedrigschwellige Qualifizierung ermöglichen

Zukunftsforscher Marc Bovenschulte spricht sich für niedrigschwellige Weiterbildungsangebote aus und sagt: „Wer einer Routinetätigkeit nachgeht, muss sich niedrigschwellig weiterbilden können.“ Er ergänzt: „Für den Ausbau der Fähig- und Fertigkeiten sollte es Basisarbeitenden möglich sein, ihre Kenntnisse – egal ob formal oder informell erworben – anerkennen zu lassen und auf diesem Weg Zertifikate als Fähigkeitsnachweise erwerben zu können.“

Offene Qualifizierungsmodelle sind gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung wichtig. Laut Projektion des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung werden in den kommenden zehn bis 15 Jahren durch die Digitalisierung zum einen rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen – zum anderen entstehen aber voraussichtlich neue Arbeitsplätze in ähnlicher Größenordnung.

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