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Betriebliche Soziale Arbeit fängt seelische Nöte auf
Ausgebildete Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter helfen bei der Konfliktbewältigung und stellen gegebenenfalls professionelle Diagnosen. © GettyImages/SDI Productions

Gesundheitsschutz : Betriebliche Soziale Arbeit fängt seelische Nöte auf

Die psychische Belastung am Arbeitsplatz und im Privatleben nimmt seit Jahren zu. Die Betriebliche Soziale Arbeit (BSA) unterstützt Beschäftigte bei solchen.

Antonia war Leiterin eines Restaurants. Sie ging gerne zur Arbeit, denn dort war immer etwas los. Jeder Tag hielt eine neue Herausforderung bereit. Doch dann wurde alles anders: Corona, Lockdown, Kurzarbeit. Statt die Tage wie gewohnt im Kreise ihres Teams im Restaurant zu verbringen, saß sie alleine zu Hause. Anfangs griff sie aus Langeweile und Frust immer häufiger zum Alkohol. Irgendwann konnte sie nicht mehr davonlassen. Sie ­wurde süchtig.

Antonia ist kein Einzelfall. Eine Forsa-Studie aus dem Jahr 2020 belegt: Ein Viertel der Befragten, die bereits vor Corona mehrmals in der Woche Alkohol getrunken haben, konsumieren seit der Pandemie noch mehr. Ebenfalls besorgniserregend ist die Zahl an Personen, deren psychische Gesundheit leidet.

Zum Weiterlesen

Die DGUV Information 206-009 informiert über Suchtprävention in der Arbeitswelt. Sie liefert wichtige Handlungsimpulse für Führungskräfte, Sicherheitsbeauftragte und Beschäftigte.

Diagnosen psychischer Natur häufen sich

Diese steigt seit Jahren an – auch bereits vor der Pandemie. Aus dem Gesundheitsreport 2022 der DAK geht hervor, dass rund 19 Prozent aller Krankschreibungen aufgrund von psychischen Diagnosen ausgestellt werden. Eine Entwicklung, auf die auch Unternehmen reagieren müssen. Denn neben den Beschäftigten leidet auch die Arbeitsqualität.

Zudem ist die Zahl der Fehltage durch psychische Erkrankungen so hoch wie noch nie: 2020 dauerte ein psychischer Krankheitsfall im Durchschnitt 39 Tage. Das zeigt der Psychreport 2021 der DAK, für den das Berliner IGES Institut im Zeitraum von 2010 bis 2020 Daten von mehr als 2,4 Millionen DAK-Mitgliedern ausgewertet hat.

Einsamkeit und fehlende soziale Kontrolle haben dazu geführt, dass der Alkoholkonsum während der Pandemie gestiegen ist. © GettyImages/DjelicS

Betriebliche Soziale Arbeit wichtige Hilfe

Wie Unternehmen Beschäftigte auffangen können, weiß Prof. Dr. Martin Klein, Vorsitzender des Bundesfachverbands Betriebliche Sozialarbeit: „Eine Organisation hat Verantwortung für ihre Beschäftigten. Wenn diese über lange Zeit leistungs- und arbeitsfähig bleiben sollen, ist es wichtig, Unterstützung anzubieten.“ Das leistet beispielsweise die Betriebliche Soziale Arbeit (BSA), auch Betriebliche Sozialberatung (BSB) genannt.

Arbeitgebende können betroffene Mitarbeitende zur BSA raten. „Anlass dafür können Konflikte im Team sein, zum Beispiel Mobbing. Oft sind es auch Probleme, die Einzelpersonen betreffen, etwa Sucht oder Schulden“, sagt Klein. In allen Fällen benötigen Betroffene eine Hilfestellung, um aus der Situation wieder herauszukommen.

Betriebliche Soziale Arbeit vermittelt geeignete Therapien

Die Leistungen der BSA sind vielfältig. Die ausgebildeten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter klären über verschiedenste Probleme auf und helfen bei der Konfliktbewältigung und -prävention. Sie erstellen aber auch professionelle Diagnosen. Anhand derer können sie gezielte Therapien vermitteln. Psychisch kranke Menschen müssen oft monatelang auf einen Therapieplatz warten. Die BSA hilft Betroffenen weitaus schneller.

Die Fachleute der BSA wissen auch, dass die Gründe für psychische Probleme komplex sind und oft mehrere Belastungen zusammenspielen. Mitunter ist es deshalb sinnvoll, Angehörige oder Kollegen und Kolleginnen in die Gespräche mit Betroffenen einzubeziehen.

Du bist nicht allein – dieses Bewusstsein schulen Selbsthilfegruppen. Die BSA unterstützt Suchtkranke, mit einer Selbsthilfegruppe in Kontakt zu treten. © GettyImages/Drazen Zigic

Betriebliche Soziale Arbeit auf einen Blick

  • Die BSA ist ein freiwilliges, betriebliches Angebot, das sich an alle Beschäftigten richtet. Die Kosten trägt das Unternehmen.
  • Beschäftigte der BSA sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.
  • Für große Konzerne lohnt es sich, eigene Fachkräfte der BSA einzustellen. Sie gehören meist zur Personalabteilung oder zum betriebsärztlichen Dienst.
  • Kleine und mittelgroße Unternehmen können BSA durch zertifizierte, externe Fachkräfte anbieten. Beschäftigte können sich online, telefonisch und persönlich beraten lassen.
  • Die BSA gibt es seit mehr als 100 Jahren.

Sicherheitsbeauftragte können sich schulen lassen

Darüber hinaus berät und schult die BSA Führungskräfte und interessierte Beschäftigte im Umgang mit Personen in schwierigen Lebenslagen, die zum Beispiel suchtgefährdet oder suchtkrank sind. Dabei lernen sie unter anderem, wie sie Symptome bei Betroffenen erkennen können. Gesprächstraining ist ebenfalls Bestandteil solcher Schulungen. Teilnehmende erfahren, was sie im Gespräch mit Betroffenen beachten sollten.

Auch für Sicherheitsbeauftragte ist es hilfreich, an solchen Schulungen teilzunehmen. Ohnehin sind oft sie es, die Kolleginnen und Kollegen Hilfe vermitteln. „Sicherheitsbeauftragte bekommen meist hautnah mit, wenn sich eine Kollegin auffällig verhält oder es einem Kollegen schlecht geht – etwa, weil sie oder er abgelenkt wirkt oder die Arbeitsqualität nachlässt“, berichtet Klein.

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Wie Sie Risiken psychischer Belastung beurteilen und vorbeugen, lernen Sie in der DGUV Information 206-026 Psychische Belastung – der Schritt der Risikobeurteilung.

Für die Leistungen der Betrieblichen Sozialen Arbeit werben

Sicherheitsbeauftragte können die Leistungen der BSA im Team bekannt machen. Die Telefonnummer oder die E-Mail-Adresse der BSA auszuhängen, ist eine gute Möglichkeit, damit Betroffene niedrigschwellig Hilfe finden.

Das Engagement lohnt sich: „Wenn Beschäftigte wissen, dass es dem Betrieb nicht egal ist, wie es ihnen geht, binden sie sich langfristig an das Unternehmen und sind leistungsfähiger. Hilft mir mein Betrieb durch eine schwierige Phase, leiste ich dasselbe auch für meinen Betrieb“, so Klein.