Gesundheitsschutz : Vor der Sonne schützen
Bevor Frank Hensel frühmorgens in seinen Firmenwagen steigt, bereitet er sich gründlich vor: Sonnenschutzmittel auftragen, das langärmlige UV-Schutzhemd anziehen, die lange Hose und die Arbeitsschuhe. Den hellgrauen Safarihut und die Sonnenschutzbrille einpacken. Weitere Ausrüstung verstauen. Dann kann es losgehen. Von Frühjahr bis Herbst lässt Hensel keinen dieser Schritte aus. Selbst an Tagen wie heute, an denen sich die Sonne viel hinter einer Wolkendecke versteckt. Er weiß: Die UV-Strahlung ist immer da und gefährlich für die Haut.
Klicktipp
Welche Beschäftigtengruppen sind durch natürliche UV-Strahlung besonders gefährdet?
Zwei Tabellen zu besonders betroffenen Berufsgruppen gibt es beim Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA)
Beschäftigte von Wasser- und Energieversorgern arbeiten viel draußen
Seit knapp 30 Jahren arbeitet Frank Hensel bei der Wasser- und Energieversorgungsgesellschaft (WEVG) Salzgitter, 20 Jahre davon als Gasspürer. Das bedeutet: Er prüft das Rohrnetz auf Gaslecks, ist viel auf Baustellen und im Stadtgebiet der Großstadt am Rande des Harzes unterwegs – meistens unter freiem Himmel. Wie wichtig da Sonnenschutz ist, weiß er aus eigener Erfahrung. „Wenn man wie ich den ganzen Tag über draußen unterwegs ist, braucht man das. Als ich früher noch Shirts mit kurzem Ärmel getragen habe, hat es irgendwann zu prickeln angefangen. Obwohl ich mich eingecremt hatte“, betont Hensel.
Lange Kleidung und Sonnenbrille gehören bereits ab Frühling zur Arbeitskleidung
Heute trifft er sich zu einer außerplanmäßigen Prüfung mit Tim Gawletta. Gawletta trägt ebenfalls lange Kleidung, Hut und Sonnenbrille. „Wenn ich das nicht gleich schon zu Hause anziehe, habe ich alles im Auto griffbereit, ebenso Wechselsachen“, sagt er. Seit fünf Jahren gehört Gawletta zum Betrieb, seit rund drei Jahren ist er Sicherheitsbeauftragter. Frank Hensel unterstützt beim heutigen Einsatz als Lotse. Er hält den Plan, auf dem der Verlauf des Gasnetzes eingezeichnet ist. Hensel schiebt derweil die rote Teppichsonde auf ihren zwei Rollen. Daran ist ein Messgerät angeschlossen. Es saugt über die Sonde Luft an und prüft die Zusammensetzung. Schon kleinste Mengen Methan erkennt das Gerät, sodass mögliche Gaslecks sofort auffallen.
Ihr Weg führt die beiden durch verschiedene Straßen und zum Teil auch über Privatgrundstücke. „Wir müssen den Verkehr immer im Auge haben, führen Gespräche mit Kundinnen und Kunden und dürfen dabei nicht die angezeigten Messwerte aus den Augen verlieren. Das ist ganz schön anstrengend“, meint Hensel.
Beschäftigte bei der Wahl der Schutzkleidung einbeziehen
Dabei gerät er weniger ins Schwitzen als früher. Denn das langärmlige Shirt mit UV-Schutz, das er trägt, führt nicht nur die Wärme schneller ab als einfache Baumwollhemden. Es ist zugleich Warnkleidung. Eine zusätzliche Warnweste braucht er nicht mehr.
„Das war einer der Gründe, warum ich dieses Modell vorgeschlagen habe“, sagt Karsten Götz, Fachkraft für Arbeitssicherheit der WEVG. „Muss nur noch ein Kleidungsstück getragen werden, ist es leichter.“ Welches Shirt letztlich angeschafft wurde, entschieden die Beschäftigten. An zwei Aktionstagen zum Hautschutz konnten sie verschiedene Modelle anprobieren und abstimmen.
Regelmäßige Aktionstage zu Gesundeitsthemen wir UV- und Hautschutz
Solche Aktionstage finden bei dem Energieversorgungsunternehmen jährlich statt, veranstaltet vom Arbeitsschutz- und Gesundheitsmanagement und dem Betriebsrat. 2022 ging es um das Thema Hautschutz. Die Auszubildenden bereiteten die Aktion vor – und beschäftigten sich so früh mit dem Thema. Angesprochen werden sollten nicht nur die Außendienstler, sondern ausdrücklich alle 250 Beschäftigten des Betriebs. „Das hat bei uns so Tradition. Bei einem Thema wie Hautschutz finden wir das besonders wichtig. Denn ob sich die Menschen beruflich oder privat einen Sonnenbrand holen – gefährlich ist er immer“, sagt Götz.
Gemeinsam mit einer Kollegin half er den Azubis bei den Vorbereitungen. Heraus kam ein Angebot mit mehreren Ständen zu unterschiedlichen Schwerpunkten. So hatten sich die Azubis zum Beispiel ein Quiz mit Fragen rund um Sonnenstrahlung überlegt. An anderen Stationen konnten die Beschäftigten ihren Hauttyp bestimmen lassen oder bekamen per UV-Kamera aufgezeigt, ob sie beim Eincremen mit Sonnenschutzmittel alle Hautpartien erreichen. „Ich habe wie immer die Creme einfach über das Gesicht verteilt und dann gesehen, welche Teile ich dabei vergesse“, erinnert sich Tim Gawletta.
Folgen der UV-Strahlung treten häufig erst im Alter auf
Fachlich beraten wurde die WEVG vom Institut für interdisziplinäre Dermatologische Prävention und Rehabilitation an der Universität Osnabrück. Auch die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro und Medienerzeugnisse (BG ETEM) begleitete und unterstützte das Projekt. „Alle Beteiligten waren sehr engagiert. Eine vorbildliche Aktion, die rundum gelungen ist“, meint Gabriele Franke. Als Strahlenschutzexpertin der BG ETEM weiß sie, wie wichtig das Thema Sonnenschutz ist.
Allein 2021 wurden rund 3.500 Fälle von hellem Hautkrebs von der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt. Hautkrebs ist immer erst eine späte Folge. Regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorge hilft, Schäden frühzeitig zu erkennen. Viele Erkrankungen lassen sich auch ganz verhindern – wenn rechtzeitig vorgebeugt wird. Am besten sind Beschäftigte der UV-Strahlung möglichst wenig ausgesetzt. Weitere Schutzmaßnahmen sollten nach dem TOP-Prinzip ergriffen werden.
Checkliste
Schutzmaßnahmen des Betriebs nach dem TOP-Prinzip:
Technisch:
- Um den UV-Schutz im Freien zu verbessern: Schattige Pausenbereiche einrichten mit Sonnensegeln und -schirmen oder Überdachungen
Organisatorisch:
- Mittags ist die Gefahr durch Sonnenstrahlung am höchsten. Arbeitszeiten daher möglichst so anpassen, dass früh begonnen werden kann und es eine längere Mittagspause gibt
- Rotieren, damit sich die Beschäftigten mit der Arbeit in der Sonne abwechseln
- Arbeitskleidung und Sonnenschutzbrillen sowie geeignetes Sonnenschutzmittel bereitstellen
Personenbezogen:
- Luftdurchlässige Arbeitskleidung tragen: lange Hose, Oberbekleidung mit langen Ärmeln und Kopfbedeckungen mit Krempe oder Nackenschutz. Zudem Sonnenschutzbrille
- Sonnenschutzmittel auf unbedeckte Körperstellen auftragen und rechtzeitig nachcremen
- PSA gegen andere Gefährdungen weiter tragen mit kombinierbarer UV-Schutzkleidung
Unfallversicherungsträger unterstützt Unternehmen bei Hautschutztagen
Bei den Hautschutztagen der WEVG war auch ein Team der BG ETEM vor Ort und betreute einen Teil der Stände. Außerdem gab es einen Workshop, in dem es darum ging, das eigene Verhalten im UV-Schutz zu beeinflussen. Alle Sicherheitsbeauftragten des Betriebs nahmen daran teil. Besprochen wurde das „Nudging“, das sind kleine Stupser, die ein Thema immer wieder spielerisch ins Gedächtnis bringen sollen. „Die Teilnehmenden hatten dazu beim Aktionstag viele Ideen, zum Beispiel eine freundliche Erinnerung ans Eincremen beim Herunterklappen der Sonnenschutzblende im Auto“, nennt Christine Gericke, Arbeitspsychologin bei der BG ETEM, ein Beispiel.
Rege genutzt wurden die Stände, an denen die Schutzkleidung, Sonnenschutzmittel und Sonnenschutzbrillen getestet werden konnten. Nach der Probe konnten alle ihre Stimme abgeben. Gewählt wurden jeweils zwei Modelle eines langärmligen Shirts, einer Kopfbedeckung mit Krempe sowie einer Sonnenschutzbrille. Die gewählten Produkte schaffte der Betrieb anschließend für die Beschäftigten im Außendienst an. Alle Beschäftigten konnten zudem Kleidung für den privaten Gebrauch erwerben.
Offen ansprechen, wenn Schutzmaßnahmen missachtet werden
Mit den Aktionstagen und der Auswahl sowie der Beschaffung der Schutzkleidung sind die Themen UV-Schutz und Hautschutz für die WEVG aber nicht erledigt. Beides soll ins Arbeitsschutzmanagementsystem integriert werden. „Der Arbeitsschutzausschuss will dazu die Themen auf einer Sitzung in diesem Jahr genauer behandeln“, sagt Karsten Götz. Darin einfließen werden auch die Vorschläge aus dem Nudging-Workshop.
Tim Gawletta findet die Idee der kleinen Erinnerungen sinnvoll, auch wenn es in seinem Team bereits von selbst funktioniert: „Wir sprechen uns gegenseitig an, wenn Schutzkleidung fehlt oder jemand vergisst, sich einzucremen. Dann reden wir sehr direkt, gehen dabei aber immer kameradschaftlich miteinander um.“
Gut zu wissen
Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen nutzen
- Prävention senkt nachweislich das Risiko, an hellem Hautkrebs zu erkranken
- Beschäftigte, die im Freien arbeiten, haben Anspruch auf Vorsorgeuntersuchungen
- Kriterien dafür sind: Beschäftigte müssen mindestens eine Stunde zwischen 11 und 16 Uhr an mehr als 50 Tagen zwischen April und September im Freien tätig sein
- Unternehmen sind verpflichtet, betroffenen Beschäftigten die Untersuchung beim betriebsärztlichen Dienst anzubieten, Grundlage ist die Gefährdungsbeurteilung
- Es gibt eine hohe Zahl an betroffenen Beschäftigten, die täglich mehr als eine Stunde natürlicher UV-Strahlung ausgesetzt sind
Mehr über medizinische Vorsorge für Beschäftigte, die im Freien arbeiten, erfahren: Arbeitsmedizinische Regel AMR 13.3
Mittagspause unbedingt im Schatten verbringen
Bei seiner Rohrnetzüberprüfung mit Frank Hensel hat er inzwischen das Betriebsgelände erreicht. Zeit für die Mittagspause. Diese verbringen sie möglichst immer im Schatten, vor allem im Sommer, wenn die Hitze kommt und der UV-Index zur Mittagszeit seine höchsten Tageswerte erreicht. „Da ist es von Vorteil, dass wir unsere Arbeitszeit zum Teil flexibel gestalten können. Im Sommer früher anfangen und eine längere Mittagspause einlegen“, sagt Hensel. In der Pause ist es auch an der Zeit, den Schweiß abzuwischen und nachzucremen. Danach geht es wieder hinaus – so gut wie möglich geschützt vor Sonnenstrahlung.