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Sicherheitsbeauftragte bauen Brücken ins Homeoffice
Distanz überbrücken: Die Sicherheitsbeauftragten der SAP Walldorf meistern diese Herausforderung. © David Spaeth

Arbeitssicherheit : Sicherheitsbeauftragte bauen Brücken ins Homeoffice

Homeoffice-Lösungen haben das Arbeitsleben stark verändert – und damit auch das Aufgabenprofil von Sicherheitsbeauftragten. Soziale Unterstützung ist jetzt wichtiger denn je.

Montagmorgens um 10:30 Uhr ist in Bernd Neugebauers Team Kaffeezeit. Die Beschäftigten des Softwareherstellers SAP sind wie so viele andere Menschen im Frühjahr 2020 ins Homeoffice umzogen. Seitdem ist dieser Termin für alle ein wichtiger Ersatz für das geworden, was sich sonst zufällig ergab: der kurze Plausch in der Kaffeeecke, nicht nur über das Projekt, an dem man gerade arbeitet, sondern auch mal über das Wetter oder die Einschulung der Kinder.

„Diese virtuellen Treffen werden gerne angenommen“, sagt Neugebauer, der bei SAP seit 20 Jahren als Business Data Analyst arbeitet und daneben ehrenamtlicher Sicherheitsbeauftragter ist. „Jeder kann von dem erzählen, was ihn gerade im Alltag beschäftigt, seien es Probleme beim Homeschooling oder ein COVID-19-Fall in der Nachbarschaft.“

Homeoffice verändert Arbeitsweise von Sicherheitsbeauftragten

Dass die Beschäftigten von zu Hause arbeiten, ist seit Beginn der Corona-Pandemie für viele Unternehmen vom Experiment zur Dauerlösung geworden. Studien zeigen, dass sowohl Führungskräfte als auch Beschäftigte positive Erfahrungen mit Homeoffice-Lösungen machen.

So berichtete laut einer Studie der DAK im Sommer 2020 jeder und jede zweite Beschäftigte von förderlichen Effekten auf die Work-Life-Balance. Als Vorteile nannten die Beschäftigten den Wegfall langer Anfahrtswege und dass sich die Arbeit besser über den Tag verteilen lasse. Insbesondere Beschäftigten mit Kindern unter zwölf Jahren fiel außerdem die Vereinbarung von Beruf und Familie leichter.

Doch bei all den genannten Vorteilen ergeben sich für Beschäftigte, Führungskräfte und Sicherheitsbeauftragte auch viele Fragen aus der veränderten Arbeitsweise.

Informationen, die allen helfen können, schickt Alexandra Dietel über den Team-Verteiler. © David Spaeth

Sicherheitsbeauftragte bei der SAP Walldorf

Gerade die Kommunikation ist ein entscheidender Faktor, um auf allen Seiten Arbeitszufriedenheit und somit auch Produktivität zu erhalten. Denn es gilt, aus der Ferne den Zusammenhalt im Team bestmöglich zu erhalten. Das ist im Wesentlichen Führungsaufgabe, doch auch Sicherheitsbeauftragte können sich hier unterstützend einbringen.

Das geschieht etwa beim Unternehmen SAP. Der in Walldorf gegründete Softwarekonzern entwickelt seit 1972 Programme für administrative Aufgaben. Zum Einsatz kommt die SAP-Software etwa in Buchführung, Controlling, Vertrieb, Einkauf, Produktion, Lagerhaltung, Transport und Personalwesen.

Um Fachkräfte und Beschäftigte bei Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zu unterstützen, gibt es im Unternehmen mehrere ehrenamtliche Sicherheitbeauftragte. Der 50-jährige Business Data Analyst Bernd Neugebauer erzählt, wie sich seine ehrenamtlichen Aufgaben durch das Homeoffice geändert haben: „Ich kann niemandem mehr über die Schulter gucken, ob sein Bildschirm im richtigen Abstand steht oder der Bürostuhl richtig eingestellt ist“, sagt er. „Aber dafür kann ich aus der Ferne auch mal bei individuellen Fragen unterstützen.“

Studie: Beschäftigte arbeiten gern im Büro

  • 59 Prozent arbeiten lieber im Büro, da ihnen die Trennung von Arbeits- und Privatleben sehr wichtig ist.
  • 51 Prozent vermissen im Homeoffice die Pausen- und Flurgespräche mit Kolleginnen und Kollegen.
  • 33 Prozent der Angestellten in Deutschland würden gerne mehrmals in der Woche im Homeoffice arbeiten. Für 23 Prozent wäre einmal pro Woche ausreichend.
  • 43 Prozent der Beschäftigten finden die Homeoffice-Ausstattung ihres Unternehmens (z. B. Laptop oder Bürostuhl) sehr gut oder eher gut. Eher schlecht oder sehr schlecht finden sie 35 Prozent.
  • 44 Prozent der Befragten halten ihre Software zur Vernetzung des Teams für sehr gut oder eher gut. Als sehr schlecht oder
    eher schlecht bezeichnen sie 33 Prozent.

Quelle: EY REAL ESTATE, 12/2020

Niemand mit Problemen allein lassen

Ähnlich geht es auch Alexandra Dietel, die seit vier Jahren als Assistenz bei SAP beschäftigt und daneben ebenfalls ehrenamtliche Sicherheitsbeauftragte im Unternehmen ist. War sie vorher dafür verantwortlich, über Fluchtwege und die richtige Beleuchtung am Arbeitsplatz aufzuklären, gibt sie nun per E-Mail Tipps, wie man am heimischen Schreibtisch Rückenschmerzen vermeidet, oder hält die Kolleginnen und Kollegen dazu an, beim Arbeiten zu Hause öfter mal eine Pause einzulegen.

Daneben bemerkt auch sie, wie wichtig vor allem die kommunikative Unterstützung der Beschäftigten aus der Ferne ist. „Oft ist es nützlich, einfach zuzuhören, ohne konkrete Ratschläge zu geben“, sagt Dietel.

Ergonomie nicht vergessen

Eine weitere Herausforderung: Häufig ist der Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden nicht ergonomisch eingerichtet. Andreas Stephan, Leiter des Sachgebiets Büro der DGUV, kennt die Schwachstellen inzwischen gut.

„Das Problem ist, dass man sich irgendwie behilft. Teilweise sitzen die Beschäftigten an Tischen und auf Stühlen, die gar keine aufrechte Körperhaltung möglich machen.“ In Folge komme es schnell zu Rückenschmerzen und anderen Beschwerden, die am Arbeitsplatz im Büro nicht aufgetreten wären.

Wichtig sei es, den Arbeitsplatz zu Hause möglichst genau so einzurichten wie im Büro. Hierbei kann es helfen, wenn das Personal verstellbare Bürostühle mit nach Hause nehmen darf, wie es bei SAP der Fall ist. Das Gesetz unterscheidet schon seit einigen Jahren zwischen Telearbeitsplätzen und mobiler Arbeit. „Dabei ist ein Telearbeitsplatz eigentlich nur dann einer, wenn er mit Unterstützung des Unternehmens so eingerichtet wurde, dass er als Bildschirmarbeitsplatz auch in einem Büro stehen könnte“, so Stephan.

Sicherheitsbeauftragte geben Homeoffice-Tipps

Aktuell betrachten die meisten Homeoffice als eine Form des mobilen Arbeitens. Beide Modelle setzen viel Kooperation bei den Beschäftigten voraus. Sicherheitsbeauftragte könnten mit passendem Informationsmaterial zur Seite stehen.

Alexandra Dietel und Bernd Neugebauer haben genau das getan. „Dass wir unsere Bürostühle mit nach Hause nehmen dürfen, wussten viele nicht“, sagt Neugebauer. Der Sicherheitsbeauftragte sandte die Info kurzerhand über den Verteiler an sein Team, ebenso wie die, dass die höhenverstellbaren Büro-Schreibtische zum Mitarbeitenden-Rabatt im Möbelhaus erhältlich seien.

Alexandra Dietel wiederum schickt regelmäßig Informationen mit Homeoffice-Tipps an die Beschäftigten, darunter Broschüren
der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) zu mehr Bewegung im heimischen Arbeitsalltag.

Checkliste: Motiviert zu Hause arbeiten

Zu Hause zu arbeiten bietet viel Flexibilität. Umso wichtiger ist es, dass Sie diese auch produktiv nutzen. Ein paar Tipps, um Motivationstiefs zu vermeiden:

  1. Starten Sie möglichst immer um die gleiche Uhrzeit in den Arbeitstag – der Rest kann flexibel sein.
  2. Es müssen nicht Sakko und Krawatte sein, aber: Kleiden Sie sich auch im Homeoffice so, wie Sie normalerweise im Büro
    erscheinen würden. Das hilft, in ein produktives Mindset zu kommen.
  3. Räumen Sie Ablenkungen wie Fernbedienung, Smartphone oder den Krimi vom Vorabend aus dem Blickfeld.
  4. Nutzen Sie die Mittagspause für einen Spaziergang. Das sorgt für einen klaren Kopf.

Bernd Neugebauer gibt bei Problemen auch mal individuelle Ratschläge. © David Spaeth

Ein neues Selbstverständnis

Bernd Neugebauer änderte außerdem auf Bitten seiner Führungskraft eigens das Schulungsmaterial für die Unterweisung von Mitarbeitenden. Das bisher verwendete Material behandelte das richtige Verhalten bei Notfällen im Büro: Fluchtwege, Ersthelferinnen und Ersthelfer, Fürsorge- und Versicherungspflicht.

Neugebauer tauschte einige Seiten aus und ersetzte sie durch Ratschläge zur Einrichtung eines ergonomischen Heimarbeitsplatzes, Bewegungstipps und Ideen, wie Beschäftigte Stress durch mangelnde Abgrenzung von Beruf und Privatleben reduzieren können.

„Sicherheitsbeauftragte von Unternehmen, deren Beschäftigte sich größtenteils im Homeoffice befinden, müssen derzeit ihr Selbstverständnis verändern“, meint Stephan. Die neue Situation empfinden die Beschäftigten zum einen Teil als Isolation, zum anderen Teil aufgrund zusätzlicher familiärer Verpflichtungen als Überforderung.

Im Zweifel an Facheinrichtungen verweisen

Sicherheitsbeauftragte seien jetzt viel mehr in der Rolle derer, die das soziale Miteinander fördern. „Da können informelle, digitale Kaffeerunden oder auch der gemeinsame Feierabendplausch vor dem Bildschirm sehr helfen.“ Allerdings warnt Stephan auch vor einer Überfrachtung der Sicherheitsbeauftragten: „Es muss auch in Ordnung sein, wenn die dann mal nicht selbst bei diesen Runden dabei sind, weil sie zu viel anderes an dem Tag zu tun haben.“

Auch müsse es eine Grenze geben, wenn Sicherheitsbetauftragte zum Kummerkasten werden: „Nicht bei allem kann jemand ohne psychologische Ausbildung die richtigen Ratschläge geben – das betrifft etwa Suchtprobleme oder häusliche Gewalt.“ In solchen Fällen könne der oder die Sicherheitsbeauftragte an entsprechende Facheinrichtungen verweisen.

Die Sicherheitsbeauftragten der SAP Walldorf entwickeln ein neues Selbstverständnis. © David Spaeth

Persönliche Treffen bleiben wichtig

Bei vielen privaten Sorgen helfen sowohl Alexandra Dietel als auch Bernd Neugebauer aber gern. „Einige Kolleginnen und Kollegen sind mehr auf strukturierte Abläufe angewiesen als andere“, so Neugebauer. In Einzelfällen spielt er dann auch mal vom Telefonhörer aus den Coach, etwa wenn jemand zu Hause nicht so recht weiß, wie er oder sie mit einem Projekt starten soll.

Auch Alexandra Dietel merkt immer wieder, wie viel ein offenes Ohr bewirken kann. „Oft hilft es, interessiert nachzufragen, dann kommen die Leute ganz von selbst auf Lösungen.“ Schon vor der Pandemie organisierte die 46-Jährige regelmäßig Flurfrühstücke für Teams. „Wenn ich Leute privat besser kenne, ist es viel einfacher, auch mal gegenteilige Meinungen im Beruflichen zu diskutieren.“

Das sei übrigens auch für die Zeit nach der Pandemie wichtig, findet Dietel. Dass man sich trotz flexibler Homeoffice-Lösungen auch persönlich immer mal wieder zusammensetzt, um sich als Team nahe zu bleiben – mit Sicherheitsbeauftragten als Brückenbauer.