Arbeitssicherheit : Wie sich die Arbeit von Sicherheitsbeauftragten wandelt
Bevor die Arbeit losgeht, versammelt Schichtführerin Andrea Letzybyl ihr Team um sich. 13 Mitarbeitende gehören dazu. Mit Arbeitshose, Schutzschuhen und T-Shirt bekleidet stehen sie in der Fertigungshalle des Autozulieferers Grupo Antolin im brandenburgischen Massen. Wenn ihre Kolleginnen und Kollegen etwa ihre persönliche Schutzausrüstung nicht korrekt angelegt haben, spricht Andrea Letzybyl sie darauf an. Das ist ihr als Schichtführerin, aber auch als zuständige Sicherheitsbeauftragte sehr wichtig. Denn anders als im Regelfall hat Andrea Letzybyl eine Doppelrolle als Führungskraft und Sicherheitsbeauftragte inne, um Sicherheit und Gesundheit im Betrieb zu gewährleisten.
Zur Schutzausrüstung gehören in ihrem Team zum Beispiel Schutzhandschuhe und Unterarmschutz beim Umgang mit Messern oder auch Maske und Schutzbrille beim Beschichten von Teilen für den Innenraum. „Manchmal werden die Sicherheitshinweise noch belächelt“, sagt Andrea Letzybyl. Doch seit sie Anfang 2020 ihre Schulung als Sicherheitsbeauftragte bekam, steht zumindest für sie die Sicherheit der Mitarbeitenden noch stärker im Fokus. Das Ehrenamt hat ihren Blick auch für andere Dinge geschärft:
„Ich bin die Gefährdungsbeurteilung erneut durchgegangen. Das hat mir gezeigt, auf wie viele Punkte ich zusätzlich achten sollte.“
Dazu gehört es zu schauen, ob die Beschilderung der Fluchtwege gut einsehbar ist. Über ihre Beobachtungen tauscht sie sich mit Dirk Schedifka, der Fachkraft für Arbeitssicherheit, aus. Die Zusammenarbeit der beiden klappt gut.
Umfrage für Sicherheitsbeauftragte
Fachwissen, kommunikative Kompetenz und betrieblicher Rückhalt – all dies ist wichtig, damit Sicherheitsbeauftragte ihr Ehrenamt umsetzen können. Der DGUV-Fachbereich Organisation von Sicherheit und Gesundheit möchte von Sibe wissen, wie gut die Umsetzung funktioniert.
Bringen Sie bei der Online-Umfrage Ihre Situation und Wünsche ein (TAN/Losung: SiBe_Wirksamkeit).
Die Teilnahme ist bis zum 31. März möglich.
Neue Wege der Verständigung nötig
Ihre Tätigkeiten als Sicherheitsbeauftragte sind von klassischen Unfallschutzthemen geprägt. Die Vermittlung der Sicherheitshinweise geht jedoch ganz moderne Wege. Denn die Kommunikation mit den Kolleginnen und Kollegen im Werk ist für Andrea Letzybyl nicht immer leicht. Da die Antolin Massen GmbH ein internationales Unternehmen ist, werden dort Mitarbeitende aus unterschiedlichen Ländern beschäftigt, die ganz unterschiedliche Deutschkenntnisse mitbringen. „Für mich als Schichtführerin und Sicherheitsbeauftragte heißt das, dass ich im Zweifel auch mal einen Dolmetscher hinzuziehe, um sicherzugehen, dass mich alle verstehen“, sagt die Brandenburgerin. Da sie selbst Englisch spricht, greift sie manchmal auf diese Fremdsprache zurück. Zudem hilft ihr das Material vom Lehrgang zur Sicherheitsbeauftragten. „Ich habe gelernt, auch mit bildlichen Darstellungen zu arbeiten. So lassen sich Sprachbarrieren ebenfalls überwinden.“
Der Austausch in mehreren Sprachen und die Ansprache durch Icons und Bilder gehört für viele Sicherheitsbeauftragte zu ihrem Ehrenamt dazu. Künftig dürfte dieser Trend noch zunehmen, blickt man auf die Zuwanderung nach Deutschland und die Suche nach Fachkräften, die oft in anderen EU-Staaten und anderen ausländischen Staaten erfolgreich ist.
Neue Fortbildungen für Sicherheitsbeauftragte nötig
Der Trend zu internationalen Teams ist nicht der einzige, der die Tätigkeit von Sicherheitsbeauftragten verändert. Künftig werden sich die rund 670 000 Sicherheitsbeauftragten in Deutschland verstärkt mit gesundheitlichen Fragen beschäftigen, ist Gerhard Kuntzemann, Leiter Sachgebiet Sicherheitsbeauftragte der DGUV, überzeugt. In einigen Branchen sei das bereits der Fall, etwa in der Gesundheitsbranche und in Verwaltungen. Dort bringen Bürotätigkeiten und damit verbunden Bewegungsmangel, schlechte Körperhaltung und die Arbeit an Bildschirmen neue Krankheitsbilder hervor. Gesundheitsschutz spielt in diesen Berufen bereits eine größere Rolle als der klassische Unfallschutz. Hinzu kommt, dass das Durchschnittsalter der Beschäftigten wegen des demografischen Wandels und späteren Renteneintritts steigt – was die gesundheitliche Prävention noch wichtiger macht.
In Zukunft erwartet Gerhard Kuntzemann, dass auch im produzierenden Gewerbe gesundheitliche Fragen für Sibe wichtiger werden. Denn Automatisierung und Digitalisierung verändern auch hier viele Berufsbilder. Der Experte spricht sich daher für gezielte Fortbildungen von Sicherheitsbeauftragten aus.
Digitaler Wandel bringt neue Herausforderungen
Der digitale Wandel verändert bei Peter Heymann bereits die Arbeit. Er ist Sicherheitsbeauftragter bei der Birkenstock Group am Standort Köln. Als ausgebildeter Multimedia-Entwickler kam er 2005 ins Unternehmen. Sein Interesse am Thema Arbeitsschutz weckte ein Projekt im Jahr 2017: Er erstellte eine elektronische Variante des Verbandbuches, das sich seitdem auch über das Intranet führen und verwalten lässt. In der Folge baute Peter Heymann die digitalen Möglichkeiten aus – so können sich inzwischen auch Ersthelfende und Brandschutzhelfende im Intranet anmelden, um so Lehrgänge und Weiterbildungen einfacher koordinieren zu können. Außerdem ist dort ein Gefahrstoffkataster einsehbar sowie ein Maschinenregister.
2018 übernahm Peter Heymann schließlich das Ehrenamt des Sicherheitsbeauftragten, ließ sich über die BG ETEM weiterbilden und erfüllt seitdem verschiedene Aufgaben. „So bin ich unter anderem der erste Ansprechpartner für das Verbandbuch, unterstütze zum Beispiel bei der erstmaligen Eingabe eines Vorfalls“, sagt der 53-Jährige. Außerdem sichtet er die Verbandkästen, kümmert sich darum, dass sie aufgefüllt werden. Vor allem aber verwaltet er das Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) von Birkenstock und entwickelt es weiter.
Dazu wechselte er Anfang 2020 ins Team Occupational Health & Safety (OHS). „Dadurch bin ich direkt an den aktuellen Arbeitsschutzthemen dran und stehe in engem Kontakt mit unseren Fachkräften für Arbeitssicherheit“, so Peter Heymann. Sein Beispiel zeigt: Sicherheitsbeauftragte haben Gestaltungsspielräume in ihrem Amt und Entwicklungsmöglichkeiten. Mit den sich wandelnden Aufgaben kommt Abwechslung hinein – und mehr Kompetenz.