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Emotionen am Steuer in den Griff bekommen
Das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmenden kann einen ganz schön aufregen. Berufsfahrerinnen und Berufsfahrer sollten dennoch ruhig und gelassen reagieren. © Foto: adobe Stock/Minerva Studio

Verkehrssicherheit : Emotionen am Steuer in den Griff bekommen

Andere Verkehrsteilnehmende können ganz schön nerven. Wütenden Fahrerinnen und Fahrern hilft ein Perspektivwechsel, um den Ärger loszuwerden.

Es ist Freitagnachmittag. Beim Hamburger Rettungsdienst geht ein Notruf ein: In einer Kindertagesstätte hat sich eine Vierjährige bei einem Sturz den Lenker eines Rollers in den Bauch gerammt und krümmt sich vor Schmerzen. Innere Blutungen könnten es sein, vermuten die Einsatzkräfte. Jetzt zählt jede Sekunde. Doch der Stadtverkehr lässt sie nicht vorwärtskommen. Viele Verkehrsteilnehmende sind unaufmerksam, fahren langsam oder gar nicht zur Seite.

Dr. Jürgen Wiegand, Bereichsleiter Verkehrssicherheit am Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG), saß bei diesem Einsatz ebenfalls im Rettungswagen. Das Verhalten der anderen machte ihn wütend. „Während ich Aggressionen bis in die Haarspitzen spürte, blieben die Einsatzkräfte ganz ruhig. Das war schon sehr eindrucksvoll“, berichtet der Präventionsexperte. Die Beschäftigten hatten offensichtlich gelernt, trotz emotionalem Druck am Steuer gelassen zu bleiben.

Zu gefährlichem Handeln verleiten

Emotionale Kompetenz nennt die Psychologie die Fähigkeit, eigene Gefühle zu erkennen und konstruktiv mit ihnen umzugehen. Beschäftigte, die beruflich viel fahren, sollten dies beherrschen. Denn bedachtes Handeln ist wichtig, um sicher ans Ziel zu kommen. Oft drohen aber Emotionen, das Steuer zu übernehmen.

Wut, Kummer oder Euphorie führen dazu, dass Fahrerinnen und Fahrer abgelenkt sind und sie sich nicht wie eigentlich notwendig auf den Straßenverkehr konzentrieren. Außerdem können Emotionen zu gefährlichen Handlungen verleiten, zum Beispiel zu riskanten Überholmanövern oder rasantem Fahren. Vor allem Beschäftigte, die viel Zeit am Steuer verbringen, sollten lernen, ihre Emotionen und negative Gedanken loszulassen. Doch wie?

Zwei Übungen zum Runterfahren

  1. Perspektive wechseln: Vielleicht hat sich die Person nur verfahren und drängelt gar nicht böswillig? Eine Situation aus der Sicht der anderen zu beurteilen, kann helfen, ihr Verhalten zu verstehen.
  2. Bewusst atmen: Sich auf die eigenen Atemzüge zu konzen­trieren, beruhigt nachweislich. Atemübungen lassen sich direkt am Steuer durchführen. Ideal für Berufsfahrerinnen und Berufsfahrer.

Sicher im Straßenverkehr durch Perspektivenwechsel

Alle Verkehrsteilnehmenden sind aufgerufen, im Straßenverkehr umsichtig zu handeln. ...

Jeder Mensch hat Handlungstendenzen

Jeder Mensch ist aufgrund individueller Überzeugungen geneigt, Situationen, Objekte oder Personen auf bestimmte Weise zu bewerten. Das wiederum erzeugt Handlungstendenzen. „Wenn ich beispielsweise überzeugt bin, dass Vorschriften richtig und wichtig sind, dann will ich Personen, die sich nicht an sie halten, möglicherweise erziehen. Bin ich dann auch noch wütend, bremse ich sie vielleicht aus oder verhalte mich auf andere Weise aggressiv“, legt Wiegand dar. Sich diese Einstellungen bewusst zu machen, zeugt von emotionaler Kompetenz.

Unser soziales Umfeld – auch das im Unternehmen – prägt ebenfalls unsere Überzeugungen. Arbeitgebende können zu einer Atmosphäre beitragen, in der rücksichtsvolles Verhalten selbstverständlich ist. „Arbeitgebende können beispielsweise für Dienstfahrten über Betriebsanweisungen oder Unterweisungen kommunizieren, welches Verhalten sie von Beschäftigten im Straßenverkehr erwarten“, erklärt Wiegand.

Entspannungsübungen helfen

An einem solchen Selbstbild können alle mitwirken – Führungskräfte, Beschäftigte und auch Sicherheitsbeauftragte. Letztgenannte sollten mit gutem Vorbild vorangehen. Außerdem können sie Kolleginnen und Kollegen geeignete Entspannungsübungen an die Hand geben.

„Berufsfahrerinnen und Berufsfahrer haben nicht die Zeit, aufgrund von Emotionen anzuhalten, um erst mal spazieren zu gehen oder Ähnliches“, verdeutlicht Renate Bantz, Präventionsexpertin der Berufsgenossenschaft Verkehr. Deshalb seien Übungen ideal, die direkt am Steuer durchgeführt werden können, etwa Atemübungen.

„Sicherheitsbeauftragte können sich dafür einsetzen, dass im Betrieb Möglichkeiten geschaffen werden, solche Übungen zu erlernen“, rät Bantz. Wer mit ihnen vertraut ist, kann sie anwenden, sobald der Puls mal steigt.

Tipp zum Weiterlesen

Die Publikation Arbeitplatz Lkw der Berufsgenossenschaft Verkehr beinhaltet ab Seite 122 Atemübungen und weitere Tipps, um am Steuer stets gelassen zu bleiben.