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Psychologische Erstbetreuung: Akute Hilfe für die Psyche
Unternehmen sollten Beschäftigte nach einem Arbeitsunfall oder einer ­Gewalterfahrung nicht allein lassen. © Getty Images/temmuzcan

Gesundheitsschutz : Psychologische Erstbetreuung: Akute Hilfe für die Psyche

Nach einem tragischen Ereignis brauchen Beschäftigte schnell ­profes­sio­nelle Hilfe. Unter­nehmen können dazu betriebliche psychologische Erstbetreuerinnen und Erstbetreuer ausbilden lassen.

Beschäftigte einer Notaufnahme werden von alkoholisierten Patienten beschimpft und bedroht. Eine Schlosserin muss mit ansehen, wie ein Kollege von einer falsch eingestellten Maschine erfasst und schwer verletzt wird. Dies sind Beispiele möglicher Ereignisse am Arbeitsplatz, die an Beschäftigten nicht spurlos vorbeigehen. Schwere Arbeitsunfälle sowie die Erfahrung von Gewalt können Betroffene wie Umstehende stark belasten und sogar traumatisieren.

Nach einschneidenden Erlebnissen am Arbeitsplatz müssen Unternehmen sofort handeln. „Schnelle Hilfe ist dann wichtig. Denn unmittelbar nach einem traumatischen Ereignis befinden sich viele in einer Schockphase und sind desorientiert“, erklärt Hannah Huxholl, Referentin für arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Das äußere sich unter anderem in Weinen, Wutausbrüchen oder Teilnahmslosigkeit.

Betriebliche Soziale Arbeit fängt seelische Nöte auf

Die psychische Belastung am Arbeitsplatz und im Privatleben nimmt ...

Schock erfüllt wichtige Schutzfunktion

Die Schockphase ist eine von drei Phasen, die Personen üblicherweise nach einem Extremereignis durchlaufen. Der Schock erfüllt eine psychologische Schutzfunktion und gilt als gesunde, normale Reaktion. Danach folgen die Phasen der Einwirkung und Erholung. In allen Phasen kann soziale Unterstützung dabei helfen, chronischen Folgen vorzubeugen. „Wenn das traumatische Ereignis nicht gut verarbeitet wird, kann eine Traumafolgestörung entstehen, zum Beispiel eine posttraumatische Belastungsstörung“, sagt Huxholl.

Dass ein Extremereignis schlecht verarbeitet wurde, kann auch im Betrieb auffallen: wenn Betroffene beispielsweise ihre Kolleginnen und Kollegen meiden, Schwierigkeiten haben, ihre Arbeit wieder aufzunehmen oder bestimmte Tätigkeiten auszuführen. „Selbst wenn sie äußerlich gefasst wirken, sollte Hilfe angeboten werden. Wenn länger anhaltende Symptome und Beschwerden ignoriert werden, kann das zu erheblichen Konsequenzen führen: von langen Ausfallzeiten bis zur Berufsunfähigkeit.“

Impulse

So können sich Sicherheitsbeauftragte einbringen, um die Versorgung im Betrieb nach traumatischen Erfahrungenbei der Arbeit zu verbessern:

  1. Auf eine Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung hinwirken: Mit welchen Maßnahmen können solche Ereignisse künftig vermieden werden?
  2. Bei Führungskräften ­anregen, Beschäftigte für die psychologische Erstbetreuung ausbilden zu lassen
  3. Kontaktdaten von psychologischen Ersthelferinnen und Ersthelfern bekannt machen, zum Beispiel öffentlich aushängen
  4. Über das Psychothera­peuten­verfahren infor­mieren, etwa ­Materialien dazu auslegen
  5. Aufmerksam bleiben und Warn­signale ernst nehmen

Psychologische Erstbetreuung für unter Schock stehende Beschäftigte

Die betriebliche psychologische Erstbetreuung kann Beschäftigte nach traumatischen Ereignissen unter­stützen. Die Erstbetreuerinnen und Erstbetreuer leisten vor Ort emotionalen Beistand und sorgen für psychische Stabilisierung. Sie begleiten die Betroffenen zum Beispiel von der Unfallstelle weg und halten sie von neugierigen Personen fern. Außerdem unterstützen die psychologischen Erstbetreuerinnen und Erstbetreuer bei Formalitäten der ermittelnden Behörden, informieren Angehörige und vermitteln, falls nötig, (betriebs-)ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe.

Unternehmen können ihren Be­­­schäf­tig­ten psychologische Erst­­be­treuung entweder durch einen Dienst­­leister anbieten oder eigene ­Beschäftigte dazu ausbilden lassen. Die Weiter­bildung zur psychologischen Erstbetreuerin oder zum psychologischen Erstbetreuer erfolgt durch Fachleute der Notfall­psy­chologie und Psycho­trau­mato­logie und ist für Unter­neh­men freiwillig. Si­cher­heitsbeauftragte können dafür ­werben.

Beschäftigten mit Kundenkontakt oder an Kassenarbeitsplätzen drohen Gewalterfahrungen. Unternehmen müssen sie davor schützen und ihnen helfen, wenn sie Gewalt erleben. © DGUV/Wolfgang Bellwinkel

Gesetzliche Unfallversicherung vermittelt Psychotherapie

Wenn Beschäftigte nach einem traumatischen Ereignis bei der Arbeit psychologische Hilfe benötigen – etwa in Form einer Therapie –, dann greift das sogenannte Psychotherapeutenverfahren der gesetzlichen Unfallversicherung. Betroffene sollten sich schnellstmöglich an einen Durchgangsarzt oder eine Durchgangsärztin wenden, um die notwendige Unterstützung zu erhalten. Die ärztliche Fachkraft leitet dann über den zuständigen Unfallversicherungsträger das Psychotherapeutenverfahren ein. Die Beschäftigten erhalten sehr kurzfristig eine Psychotherapie.

Dieses Angebot der gesetzlichen Un­fall­versicherung ist im deutschen Ge­sundheitswesen einzigartig. Damit die Versorgung weiterhin so gut bleibt, wird das Netzwerk sukzessive ausgebaut. In der Pandemie erprobte Instrumente wie die Videotherapie werden dabei fest etabliert. So sind auch Beschäftigte im ländlichen Raum gut versorgt.