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Wenn die Aufsichtsperson vor der Tür steht
Betriebsbesichtigungen überwachen einerseits die Einhaltung von Sicherheitsanforderungen in Betrieben, andererseits haben sie beratende und unterstützende Funktionen. © DGUV/Wolfgang Bellwinkel

Arbeitssicherheit : Wenn die Aufsichtsperson vor der Tür steht

Die Betriebsbesichtigung gehört zu den Kernaufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung. DGUV-Experte Dr. Roland Portuné über Ziele, Ablauf und gute Vorbereitung.

Nach welchen Kriterien werden Unternehmen ausgewählt? Wie läuft eine Betriebsbesichtigung ab, was passiert danach – und wie können sich Sicherheitsbeauftragte einbringen? Dr. Roland Portuné aus der Hauptabteilung Prävention der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gibt Antworten.

Herr Dr. Portuné, aus welchem Grund machen die Unfallversicherungsträger regelmäßig Betriebsbesichtigungen?

Die gesetzliche Unfallversicherung hat den Auftrag aus dem Sozialgesetzbuch VII, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren mit allen geeigneten Mitteln zu verhindern und für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen. Überwachung und Beratung sind zentrale Elemente, um diesen Auftrag umzusetzen. Im SGB VII § 17 werden sie explizit gefordert. Sie bilden die Grundlage für die Tätigkeit der Präventionsdienste und sind auch ein „Türöffner“ zu den Betrieben und Einrichtungen. Ziel der Betriebsbesichtigungen ist es, Sicherheit und Gesundheit der versicherten Personen zu gewährleisten und die Unternehmen bei ihren entsprechenden Verpflichtungen zu unterstützen. Überwachung ist also immer eng mit Beratung verbunden sowie mit weiteren Präventionsleistungen wie zum Beispiel Qualifizierungsmaßnahmen. Diese bieten die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen den Betrieben bedarfsorientiert an.

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Kommen die Unfallversicherungsträger immer unangekündigt oder mit Ankündigung?

Sowohl als auch. Sinnvoll ist eine Kombination aus beidem. Bei angekündigten Besichtigungen kann im Vorfeld sichergestellt werden, dass wichtige Ansprechpersonen auch tatsächlich vor Ort sind. Das hilft zum Beispiel bei der Klärung, wie die Organisation von Sicherheit und Gesundheit sowie die Beurteilung der Arbeitsbedingungen gewährleistet werden. Hingegen können Beschwerden zum Beispiel von Betriebs- oder Personalrat der Auslöser für einen unangekündigten Besuch sein. Viele Besichtigungen ohne vorherige Terminvereinbarung sind aber auch das Ergebnis von datenbasierten Risikobetrachtungen zu Unternehmen, Wirtschaftszweigen oder spezifischen Arbeitsstätten. Sind Betriebe statistisch auffällig, werden sie gezielt überwacht und beraten. Sind sie bei der Besichtigung auffällig, orientieren sich Überwachung und Beratung an der vor Ort angetroffenen Situation.

Nach welchen Kriterien werden Betriebe ausgewählt und wie kann man sich das technisch vorstellen?

Die Vernetzung verschiedener Bereiche ermöglicht es den Unfallversicherungsträgern, statistische Kennzahlen zusammenzuführen. Das können zum Beispiel Daten zu Entschädigungsleistungen oder über das Unfall- und Berufskrankheitengeschehen sein. So bekommt der Unfallversicherungsträger Hinweise zu branchen- und betriebsspezifischen Gefährdungsschwerpunkten. Algorithmen übernehmen das händische Zusammenführen und Interpretieren der Kennzahlen. Ein trainierter Algorithmus kann zum Beispiel auf der Basis von über 100 Merkmalen die Wahrscheinlichkeit für bevorstehende Arbeitsunfälle in Betrieben einer bestimmten Größe abschätzen. Um die Prognosen abzusichern, werden historische Muster und Zusammenhänge gesucht und erkannt. Mit Hilfe von KI können künftig einzelne Betriebe auf einer größeren Datenbasis und damit verlässlicher identifiziert werden.

Bei der Betriebsbesichtigung lässt sich die Aufsichtsperson Unterlagen wie die Gefährdungsbeurteilung zeigen, Betriebsstätten und Betriebsteile und bespricht sich mit Verantwortlichen für den Arbeitsschutz. © DGUV/Wolfgang Bellwinkel

Was passiert bei einer Betriebsbesichtigung? Was prüfen die Aufsichtspersonen, und wie läuft so ein Termin ab?

Ganz allgemein gesprochen wird bei einer Betriebsbesichtigung überprüft, ob die durch den Betrieb getroffenen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren ausreichend und wirksam sind. Dabei wird auch geschaut, ob die Erste Hilfe im Betrieb zuverlässig geregelt ist. Eine solche Betriebsbesichtigung beginnt üblicherweise mit einem Einführungsgespräch, in dem sich die Aufsichtsperson wichtige Unterlagen wie die Gefährdungsbeurteilung zeigen lässt oder mit den hierfür Verantwortlichen die betriebliche Arbeitsschutzorganisation bespricht. Danach folgt die Begehung der Betriebsstätte oder von ausgewählten Betriebsteilen. Dabei verschafft sich die Aufsichtsperson einen Überblick über die betriebliche Situation, indem sie Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe stichprobenartig betrachtet und diese im Hinblick auf die Sicherheit und die Gesundheit der dort arbeitenden Menschen bewertet.

Wenn sich die Unfallversicherungsträger anmelden, wie können sich Betriebe auf den Termin vorbereiten?

Unabhängig von einer Betriebsbesichtigung sollten Unternehmen wichtige Unterlagen prinzipiell gut geordnet verfügbar haben. Spätestens mit dem Besuch der Aufsichtsperson müssen diese griffbereit sein. In einem Kleinbetrieb kann das der ein Ordner „Arbeitsschutz“ sein, in dem insbesondere die betriebliche Gefährdungsbeurteilung, die Unterweisungsnachweise aber auch weitere Unterlagen z. B. zur Prüfung der elektrischen Anlagen und Betriebsmittel oder ein Gefahrstoffverzeichnis dokumentiert sind. Im größeren Betrieb kommen weitere Unterlagen hinzu, z. B. zur sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung, zur Bestellung und Ausbildung von betrieblichen Ersthelfenden und Sicherheitsbeauftragten oder zur „Übertragung von Unternehmerpflichten“, also zur Aufgabenübertragung im Arbeitsschutz. Außerdem sollte die angemessene Beteiligung sichergestellt sein: Die betriebliche Interessenvertretung, die für sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Beratung zuständigen Personen sowie die betrieblichen Sicherheitsbeauftragten sollten bei der Betriebsbesichtigung der Aufsichtsperson mit dabei sein können.

Nehmen Sicherheitsbeauftragte an Betriebsbesichtigungen teil?

Führt die Aufsichtsperson der Unfallkasse oder der Berufsgenossenschaft eine Betriebsbesichtigung durch, sollten Sicherheitsbeauftragte nach Möglichkeit eingebunden werden. Die Grundlage für Sicherheitsbeauftragte findet sich in § 22 des Sozialgesetzbuches VII bzw. in der DGUV Vorschrift 1. In der Vorschrift heißt es „Der Unternehmer hat den Sicherheitsbeauftragten Gelegenheit zu geben, ihre Aufgaben zu erfüllen, insbesondere in ihrem Bereich an den Betriebsbesichtigungen sowie den Untersuchungen von Unfällen und Berufskrankheiten durch die Aufsichtspersonen des Unfallversicherungsträgers teilzunehmen; den Sicherheitsbeauftragten sind die hierbei erzielten Ergebnisse zur Kenntnis zu geben“. Dieser § 20 (3) der DGUV Vorschrift 1 zeigt deutlich, dass und wie Sicherheitsbeauftragte einzubinden sind, wenn die Aufsichtsperson kommt.

Für welche Teile der Betriebsbesichtigung gilt das? Wie können sie sich einbringen?

Dies gilt insbesondere für den Rundgang der Betriebsbesichtigung innerhalb des jeweiligen Zuständigkeitsbereichs. Dort sind Sicherheitsbeauftragte echte „Insider“ – sie sind die Personen aus der Praxis, die die Arbeitsbedingungen aus der täglichen Erfahrung und den Berichten der Kolleginnen und Kollegen ganz genau kennen. Es kann also zu einem für beide Seiten sehr fruchtbaren Informationsaustausch kommen. Sicherheitsbeauftragte sollten informiert werden über die in ihrem Bereich festgestellten Mängel und sie sollten Gelegenheit erhalten, mit der Aufsichtsperson ins Gespräch zu kommen hinsichtlich der konkreten Gegebenheiten in ihrem Zuständigkeitsbereich. Damit kennen Sicherheitsbeauftragte bereits die Ergebnisse der Betriebsbesichtigung und sind in der Lage, die in den folgenden Wochen erforderlichen Maßnahmen zur Behebung der Mängel zu verfolgen bzw. zu unterstützen.

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Nach der Betriebsbegehung wird im Abschlussgespräch evaluiert, ob Mängel beseitigt werden müssen oder welche Maßnahmen umgesetzt werden sollten. © DGUV/Wolfgang Bellwinkel

Weiß die Unternehmensführung danach, wie sie weiter vorgehen muss?

Direkt auf die Begehung folgt das Abschlussgespräch, ein wichtiger Bestandteil des Termins. Dabei wird gemeinsam mit den betrieblichen Verantwortlichen besprochen, welche Maßnahmen getroffen werden können oder müssen, um Sicherheit und Gesundheit im Betrieb zu optimieren. Insbesondere natürlich, welche vorgefundenen Mängel beseitigt werden müssen. Übergeordnetes Ziel ist die betriebliche Weiterentwicklung für eine möglichst nachhaltige Verbesserung des Arbeitsschutzes im Betrieb.

Welche weiteren Ergebnisse kann der Besichtigungstermin haben - neben der von der Aufsichtsperson geforderten Mängelbeseitigung?

Häufig empfiehlt die Aufsichtsperson weitere Unterstützungsleistungen, die durch den Unfallversicherungsträger erbracht werden können. In der Folge ist dann zu organisieren, wie solche Angebote genutzt werden können. Also zum Beispiel wann genau welche Personen bestimmte Seminare der Berufsgenossenschaft oder der Unfallkasse absolvieren können. Weiterhin werden oft auch vertiefende Beratungsangebote durch den zuständigen Unfallversicherungsträger gemacht – zum Beispiel zur Frage der Integration psychischer Belastung in die Gefährdungsbeurteilung. Auch hierzu müssen von betrieblicher Seite die notwendigen Prozesse angestoßen werden, um die vertiefende Beratung auch erfolgreich nutzen zu können. Schließlich gibt es vielfältige Anreizsysteme, die von den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern angeboten werden. Aufsichtspersonen weisen im Rahmen der Betriebsbesichtigung üblicherweise auf solche Angebote hin, von denen Betriebe oft stark profitieren können.

Können Sie weiter ausführen, wie Betriebe und Einrichtungen auch nach einer Betriebsbesichtigung von dem Termin profitieren können?

Zunächst optimieren sie ihren Betrieb und ihre Arbeitsprozesse, wenn sie die Mängel abstellen. Die weiteren Angebote können zusätzlichen Nutzen mit sich bringen. Zum Beispiel bei den Anreizsystemen, wenn besondere Bemühungen der Betriebe um Sicherheit und Gesundheit oder auch Verdienste der Beschäftigten durch monetäre und/oder nicht monetäre Zuwendungen belohnt werden können. Dazu die möglichen Qualifizierungsveranstaltungen wie Seminare, Fachtagungen oder die Übernahme von Kosten für Fahrsicherheitstrainings bis hin zu Messungen oder vertiefenden Beratungsleistungen durch Spezialistinnen und Spezialisten, – das ist schon sehr vielseitig, wie Betriebe profitieren können. Natürlich wird auch die Aufsichtsperson weiterhin ansprechbar bleiben, wenn sich aus Sicht des Betriebs weiterer Beratungsbedarf abzeichnet.