Arbeitssicherheit : Bereichernde Vielfalt bei Ikea: Wie gemischte Teams zusammenwachsen
Kevin Zimpfer streicht mit seinem Handschuh langsam über die Stelle, an der ein Gabelstapler die aus Pappe bestehende Palette beschädigt hat. Die Delle ist gut sichtbar, doch der Sicherheitsbeauftragte möchte den ihn begleitenden Auszubildenden Ahmed Alahmed nicht nur zum Hinschauen ermuntern, sondern ihn auch für das Erkennen von Gefahrenquellen sensibilisieren. Denn die Pakete, die auf der Palette liegen, sind schwer. Gut 29 Kilogramm wiegt jeder einzelne Schuhschrank.
Praxisnah und verständlich
„Wenn die ins Rutschen kommen, ist das schlecht“, sagt Zimpfer. Deswegen erklärt er dem Auszubildenden exakt und gut verständlich, wie er eine neue Palette für den Transport bindet, wie das Halteband befestigt wird und wie man die Ecken der Pakete mit einem Kantenschutz verstärkt, damit die Ware nicht beschädigt wird. „Es würde nicht genügen, so etwas in einer Präsentation zu erklären. Damit es verständlich wird, muss man es direkt am Objekt vormachen“, so Kevin Zimpfer.
Ahmed Alahmed, der aus Syrien stammt, hört aufmerksam zu. Sein Deutsch ist bereits gut, kleinere Verständnisprobleme meistert man gemeinsam. Der 21-Jährige ist seit über einem Jahr im Betrieb, diesen lernte er zunächst als Praktikant kennen. Im September 2018 hat er seine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik begonnen.
Sicherheit geht vor
Als Teamassistent Logistik ist Kevin Zimpfer nicht nur eine Art Vorarbeiter im Lagerbereich, sondern seit vier Jahren auch Sicherheitsbeauftragter. In dieser Funktion führt er wöchentlich im Logistikbereich eine Sicherheitsüberprüfung durch, wie sie in jeder Abteilung vorgesehen ist. Natürlich ist es für Zimpfer in seiner besonderen Rolle auch ein Anliegen, dass die Beschäftigten alle Arbeitsabläufe und möglichen Gefahren gut verstehen.
„Sicherheit geht vor. Ich möchte einfach, dass niemandem hier etwas passiert.“ Dem schwedischen Möbelkonzern ist dieses Thema sehr wichtig. Alle neuen Beschäftigten nehmen an einer Sicherheitsschulung teil. Die Sprache in den Broschüren für Beschäftigte und auf Hinweisschildern ist bewusst einfach gehalten.
Zu Teams zusammenwachsen
Es gehört bei Ikea zu den Grundwerten, dass an den Standorten Menschen unterschiedlicher Herkunft zu echten Teams zusammenwachsen. All das, was zum Leben gehört, soll sich auch in den blau-gelben Einrichtungshäusern als Realität widerspiegeln – dazu gehört auch die Unterschiedlichkeit der Menschen.
Der Sicherheitsbeauftragte Kevin Zimpfer findet das gut. Seit Jahren arbeitet er mit Menschen zusammen, die über die Mainfränkischen Werkstätten bei Ikea im Einsatz sind und Schritt für Schritt an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Die Mainfränkischen Werkstätten sind ein Unternehmen der Lebenshilfe-Vereine aus Würzburg und Umgebung. Viele „Mainfrankener“, wie die Kolleginnen und Kollegen oft kurz genannt werden, haben eine Behinderung, einige benötigen Unterstützung.
Dabei werden sie aber auch gebraucht und sind bestens integriert: Bei Ikea montieren sie beispielsweise Möbelstücke oder spülen Geschirr im Mitarbeiterrestaurant. Ihr Anleiter Leo Estenfelder trägt das gestreifte Ikea-Shirt, ein Namensschild auf der Brust weist ihn aus. Der Einsatz der „Mainfrankener“ ist bei Ikea gelebte Normalität.
Arbeiten mit Engagement
Ein „Mainfrankener“ ist der 26-jährige Christian Belgo. Seit einem Jahr arbeitet er bei Ikea. Zunächst war er in der Möbelmontage, dann in der Entsorgung, jetzt an der Verpackungsmaschine. Leo Estenfelder lobt, mit wie viel Engagement er in seine Tätigkeit hineingewachsen ist. „Inzwischen setzen wir ihn sogar als Springer für verschiedene Tätigkeiten ein“, ergänzt Michaela Jona aus dem Personalbereich.
Das Unternehmen bemüht sich darum, Christian Belgo fest einzustellen. Das erfordert einen gewissen bürokratischen Aufwand, doch Michaela Jona ist zuversichtlich. Für sie zählt das Talent des Kollegen. Unterschiede werden ausdrücklich begrüßt. Das Unternehmen profitiert davon, wie Michaela Jona betont: „Wenn alle sich so einbringen können, wie sie sind, steigert das die Motivation ungemein.“
Arbeitsalltag der Sicherheitsbeauftragten
Mögliche Gefahrenquellen im Blick behalten, Arbeitsabläufe erklären – das gehört für die Sicherheitsbeauftragten bei Ikea zum Alltag. Zum Beispiel kontrolliert die Interieur-Designerin Charlotte Schröer jeden Morgen, ob ihr im Ausstellungsbereich oder in der Selbstbedienungs- Markthalle Sicherheitsmängel auffallen. Mal kann sich eine Fußleiste gelöst haben, mal steht die Ecke eines Teppichs hoch oder eine Lampe flackert. Die Sicherheitsbeauftragte achtet auch darauf, dass Leitern richtig ausgeklappt sind und niemand bei der Arbeit auf den obersten Sprossen steht.
Und bei ihrer Kerntätigkeit, wenn beispielsweise Bereiche der Ausstellung neu aufgebaut werden müssen und der hauseigene Möbelmonteur nicht verfügbar ist, zählt auch Charlotte Schröer auf die Unterstützung der „Mainfrankener“. Sie ist immer wieder begeistert, wie reibungslos das klappt: „Das läuft wie am Schnürchen.“ Dass alle Beschäftigten wissen, wie sie bei der Möbelmontage Akkuschrauber und Feile halten müssen, um Unfälle zu vermeiden, oder dass sie mit dem Sicherheitsmesser stets vom Körper weg schneiden und nie ihre Persönliche Schutzausrüstung vergessen – all dies ist das Ergebnis des Zusammenspiels unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure.
Sicherheitsverständnisse auf einen Nenner bringen
Als Akteur für den Arbeitsschutz setzt sich auch Thomas Schwind ein, der bei Ikea in Würzburg als Fachkraft für Arbeitssicherheit tätig ist. Er weist neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihre Tätigkeiten ein und führt die Sicherheitsschulungen durch. Er weiß: Nicht alle Menschen haben das gleiche Sicherheitsverständnis. Doch er sagt auch: „Gerade die Neulinge aus den Mainfränkischen Werkstätten sind meist sehr aufgeschlossen.“ Dies gilt insbesondere, wenn der Sinn einer Sicherheitsmaßnahme einleuchtet.
Und genau hier setzt Schwind an: „Ich suche die gemeinsame Gesprächsebene.“ Dabei wird beispielsweise klar, dass die Markthalle bis zur Geschäftsöffnung um 10 Uhr nur auf vorgeschriebenen Wegen durchquert werden darf und alle ihre Warnwesten tragen müssen. Bevor die Kundschaft kommt, gehört die Halle nämlich den Gabelstaplern, die in engem Takt die Regale befüllen. Um so etwas zu kommunizieren, sind die Sicherheitsbeauftragten eine große Hilfe für Thomas Schwind.
Gelebte vielfältige Gemeinschaft
Der Arbeitsalltag in Würzburg zeigt auch, wie belebend die Vielfalt einer Belegschaft für die Unternehmenskultur sein kann. Charlotte Schröer spürt das jeden Tag, zum Beispiel in der Mittagspause. An langen Tischen sitzen die Kolleginnen und Kollegen zusammen, die „Mainfrankener“ mittendrin.
Es herrscht eine Atmosphäre von gelebter Gemeinschaft. Und dieses Gefühl strahlt auch in die Arbeitsbereiche hinein. In die Spülküche etwa, wo die Sicherheitsbeauftragte Bianca Czech arbeitet. Der Personaleinsatz ist groß, daher sind alle froh, dass pro Schicht rund zehn „Mainfrankener“ mit anpacken.
Kommunikation ist der Schlüssel
Ähnlich wie Kevin Zimpfer im Lager, so hat auch Bianca Czech in der Spülküche als Sicherheitsbeauftragte die Abläufe stets im Blick. Sie sieht zum Beispiel, ob die Wege frei sind und die Körbe für Geschirr und Besteck richtig gestapelt werden, damit sie beim Transport nicht umfallen. „Neue Beschäftigte schauen mir zu, wie es gemacht wird, und dann klappt das“, schildert sie.
Wenn eine Kollegin oder ein Kollege sich über ein Lob freut, dann ist das auch für Bianca Czech motivierend. Man tauscht sich aus und es gibt nichts, das dem gegenseitigen Verständnis im Wege stünde – so wie bei der gehörlosen Mitarbeiterin, mit der Bianca Czech vereinbart hat, dass sie ihr einfach auf die Schulter klopft, wenn sie sich bei einem Arbeitsvorgang einmal nicht sicher ist.