
Arbeitssicherheit : Betriebliches Notfallmanagement: Notfälle planbar machen
Es ist spät am Abend. Die meisten Beschäftigten einer Papierfabrik sind längst im Feierabend – nur die spärlich besetzte Nachtschicht in der Produktion und das Wachpersonal sind noch da. Einige Stunden vorher ist bei der Produktion von Toilettenpapier ein kleiner Funken entstanden, der unbemerkt aufs Lager überspringt und sich dort schließlich selbst entzündet. Umgeben von Tausenden Toilettenpapiergebinden breitet sich das Feuer in der Lagerhalle ungehindert aus. Eine verheerende Situation, die schnelles, richtiges Handeln erfordert.
„Das sind so typische Situationen, in denen Beschäftigte plötzlich wichtige Entscheidungen treffen müssen, die sonst nur Führungskräfte oder gar die Geschäftsführung treffen“, erklärt Wolfgang Paul, Experte für betriebliches Notfallmanagement bei der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM). Regelmäßig gibt er sein Wissen als Dozent an andere Unternehmen weiter. „Der Entscheidungsdruck kann ziemlich herausfordernd oder gar überfordernd sein. Mit einer guten Vorbereitung sind alle Beschäftigten in Notfällen handlungsfähig und wissen Bescheid, was zu tun ist.“
Notfallmanagement macht Unternehmen widerstandsfähig
Unter den Begriff „betriebliches Notfallmanagement“ fallen alle Maßnahmen, die einem Unternehmen dabei helfen, auf unvorhergesehene Ereignisse und kritische Situationen zu reagieren. Das Ziel besteht darin, negative Auswirkungen auf das Unternehmen und die Beschäftigten zu minimieren. Im Sinne der Fürsorgepflicht geht es vor allem darum, Beschäftigte vor Verletzungen zu schützen. Alles in allem sind Unternehmen mit einem guten Notfallmanagement für kritische Situationen gewappnet.
Reinhören: Podcast zum Notfallmanagement
Mehr zu Notfallmanagement im Betrieb in Folge 5 des Podcasts „Ganz sicher“ der BG ETEM
Die wichtigste Grundlage für ein funktionierendes Notfallmanagement ist die Risikoanalyse, die in der Regel die Geschäftsführung erstellt. „Die Herausforderung hierbei ist, von den bereits bekannten Risiken wie Stromausfall, Blitzschlag, Überschwemmung zu abstrahieren und ganz offen zu überlegen, welche Geschehnisse ein Unternehmen potenziell betreffen könnten, wie wahrscheinlich sie sind und welche Auswirkungen sie hätten“, erklärt Fachmann Paul, „daran schließt sich die Frage an, welche Situationen das Unternehmen selbstständig, mit eigenen Ressourcen bewältigen kann und wann es externe Hilfe benötigen würde. Wann sich also aus einem Notfall eine Krise entwickeln könnte.“
Anhand dieses Wissens lassen sich Verfahren zur Bewältigung von Ausnahmesituationen definieren und in Notfallplänen festhalten. Diese beschreiben für möglichst jedes potenzielle Szenario sehr detailliert, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Sicherheit von Beschäftigten zu gewährleisten und die Auswirkungen des Notfalls zu minimieren.
Welche Informationen ein Notfallplan idealerweise umfasst, ist individuell festzulegen. In der Regel enthält er eine Liste der Personen mitsamt ihrer Kontaktdaten und Vertretungen, die im Krisenfall bestimmte Aufgaben übernehmen, etwa die Mitglieder des Krisenstabs.

Aufgaben:
- Sich fortlaufend über die Lage informieren und sie bewerten
- Maßnahmen veranlassen, sie überwachen und bewerten
- Externe informieren (Angehörige, Presse)
Anforderungen:
- Ort außerhalb des Firmengebäudes
- Technische Ausstattung (Internet, Mobilfunk, Computer)
- Notfallpläne, zum Beispiel mit wichtigen Kontaktdaten, Grundrissen, Informationen zu Gefahrstoffen
Leitung: Kann die Geschäftsleitung übernehmen, aber auch eine andere verantwortliche Person
Interne und externe Kommunikation vorab festlegen
Wichtige Inhalte sind zudem Anweisungen zur Evakuierung sowie die Standorte von Sammelstellen, Notausgängen, Verbandkästen, Feuerlöschern, Notstromaggregaten sowie anderen medizinischen und sicherheitstechnischen Einrichtungen. Notfallpläne informieren darüber, wie die interne und externe Kommunikation ablaufen soll, wer also wen und in welcher Reihenfolge informiert.
Medientipps: Richtig alarmieren und evakuieren
Wie Alarmierung und Evakuierung richtig funktioniert, zeigt dieses Video auf DGUV Tube.
Mehr dazu in der DGUV Information Alarmieren und Evakuieren.
Es ist wichtig, dass alle Beschäftigten auf diese Zugriff haben und sie verstehen, um angemessen reagieren zu können. Dies sollte regelmäßig in praktischen Notfall- und Evakuierungsübungen durchgespielt werden. Sicherheitsbeauftragte können die Notfallpläne unternehmensweit bekannt machen, etwa ins Intranet stellen oder im Unternehmen aushängen. Ebenso können sie darauf achten, dass Notausgänge und Evakuierungswege nicht zugestellt sowie gut ausgeschildert sind. Auf Missstände sollten sie Führungskräfte zügig hinweisen oder diese, wenn möglich, gleich selbst beseitigen.