Gesundheitsschutz : Gehörschutz: Den passenden finden
Frau Mattke, welche Arten von Gehörschutz gibt es?
Ganz allgemein kann man in Einwegstöpsel, Mehrwegstöpsel, Kapselgehörschutz und Otoplastiken, ein individuell angefertigter Gehörschutz, unterteilen. Diese dann wiederum in aktive und passive Ausführungen. Passive Gehörschützer sind die ohne elektronische Zusatzfunktionen. In den vergangenen Jahren haben immer mehr elektronische Lösungen Einzug gehalten. Sie sorgen etwa bei stark schwankenden Pegeln dafür, dass Umgebungsgeräusche gut wahrgenommen werden können.
Nach welchen Kriterien sollten Betriebe vorgehen, um den passenden Gehörschutz für ihre Beschäftigten auszuwählen?
Das erste Kriterium ist die Schalldämmung. Dazu muss klar sein, wie laut es am Lärmarbeitsplatz ist. Ein passender Gehörschutz verringert die Lautstärke dann so, dass der Pegel am Ohr bei 70 bis 80 Dezibel liegt. Dann ist ausreichend Schutz gegeben und die Umgebung wird auch noch wahrgenommen. Bei einer zu hohen Schalldämmung droht eine Überprotektion. Das zweite Kriterium ist die Umgebung. Wird zum Beispiel mit Schmierstoffen gearbeitet, würde beim Einsetzen von Einwegstöpseln Schmutz ins Ohr gelangen. Das kann zu Entzündungen führen. In solchen Umgebungen ist daher ein Kapselgehörschutz besser geeignet. Das dritte Kriterium sind schließlich medizinische Auffälligkeiten. Zum Beispiel weil jemand bereits eine Hörminderung hat, auf bestimmte Stoffe allergisch reagiert oder enge Gehörgänge hat.
Was ist eine Überprotektion und warum sollte sie vermieden werden?
Ein klassisches Beispiel: die typischen Spenderboxen mit Einwegstöpseln am Eingang von Lärmbereichen. Die Stöpsel haben meist eine Schalldämmung von 30 bis 35 Dezibel. In vielen Lärmbereichen werden Pegel von 85 bis 90 dB(A) gemessen. Am Ohr kommen so überschlägig gerechnet weniger als 70 Dezibel an. Beschäftigte können die Umgebung nicht mehr richtig wahrnehmen, dadurch steigt die Unfallgefahr. Außerdem demotiviert es, wenn Benutzerinnen und Benutzer sich von ihrer Umwelt abgeschnitten fühlen.
Tipps zum Weiterlesen
- DGUV Regel 112-194: Benutzung von Gehörschutz
- DGUV Information 212-621: Kurzinformation Gehörschutz
Das motiviert nicht dazu, den Gehörschutz zu tragen. Ein anderer Grund ist fehlender Tragekomfort. Wie können Betriebe dem vorbeugen?
Ich empfehle Unternehmen, zwei bis drei Modelle anzubieten, die die genannten Kriterien erfüllen. Am besten testet eine Arbeitsgruppe mit Beschäftigten unterschiedliche Gehörschutztypen in mehreren Größen. Denn kein Mensch ist gleich.
Der beste Gehörschutz nützt nichts, wenn er nicht richtig ein- oder aufgesetzt wird. Wie gelingt es, dass alle Beschäftigten es hinbekommen?
Gehörschutz fällt in Kategorie III der PSA-Benutzungsverordnung. Bei persönlicher Schutzausrüstung in dieser Kategorie ist es vorgeschrieben, jährliche Unterweisungen mit praktischen Übungen zu verbinden. Das ist sinnvoll, denn Unternehmen dürfen nicht davon ausgehen, dass alle Beschäftigten wissen, wie sie ihren Gehörschutz richtig anlegen. Ich empfehle außerdem, die Unterweisungen möglichst interessant zu gestalten, damit sie wirksam sind. Viele Berufsgenossenschaften bieten Videos und Anleitungen zum Thema an. Sicherheitsbeauftragte können ihre Vorgesetzten auf solche Angebote hinweisen.
Was können Sicherheitsbeauftragte noch in Sachen Lärmschutz tun?
Noch immer unterschätzen viele die Gefahr einer Lärmschwerhörigkeit, weil sie sich über Jahre oder Jahrzehnte entwickelt. Sicherheitsbeauftragte können darüber informieren. Sie sollten außerdem dafür sensibilisieren, dass ihre Kolleginnen und Kollegen auch privat auf ihr Gehör achten. Wenn den Menschen bewusst wird, dass es um ihre eigene Gesundheit geht, empfinden sie das Tragen von Gehörschutz nicht mehr als lästige Pflicht.
Sie sprachen eingangs aktiven Gehörschutz an. Privat nutzen viele Menschen bereits entsprechende Technologie in ihren Kopfhörern. Ist sie auch für den Betrieb geeignet?
Sie im Unternehmen einzusetzen, ist derzeit noch keine gute Idee, auch wenn Beschäftigte mit ihrer eigenen Lösung zufrieden sind und sie gern tragen. Denn privater Gehörschutz erfüllt meist nicht die Anforderungen an persönliche Schutzausrüstung. Diese muss ein CE-Kennzeichen haben und vor allem dafür sorgen, dass die Trägerin oder der Träger maximal 85 Dezibel auf das Ohr bekommt. PSA muss deshalb nach DIN EN 352 geprüft sein. Das ist bei den allermeisten privaten Geräten nicht der Fall.