Arbeitssicherheit : Lärmschwerhörigkeit verhindern
Das Telefon klingelt. Der Handwerksmeister nimmt seinen Gehörschutz ab, um das Gespräch zu beginnen. Im Hintergrund dröhnen die Maschinen. Das Telefon wird heute noch ein paar Mal klingeln. Die Zeit, in der der Handwerksmeister seine Ohren dem Lärm der Maschinen aussetzt, ist immer nur kurz. Doch seine Ohren vergessen nicht.
Irgendwann könnte eine Lärmschwerhörigkeit die Folge seines Verhaltens sein. Denn genau so entsteht die irreversible Krankheit: wenn das Gehör über mehrere Jahre immer wieder hohen Schallpegeln ausgesetzt ist.
Dauerhafter Lärm schadet
„Jeder kennt das, wenn es sich zum Beispiel nach einem lauten Konzert anfühlt, als hätten wir Watte im Ohr“, sagt Sandra Dantscher, Sachgebietsleiterin Gehörschutz beim Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA). Normalerweise erholt sich das Gehör von einer solchen Belastung wieder. Im Arbeitsalltag bleibt diese Erholung jedoch aus.
„Von einer Schicht zur nächsten haben die Haarzellen im Ohr nicht ausreichend Zeit, sich zu regenerieren, und nehmen auf Dauer Schaden.“ Wenn Lärm am Arbeitsplatz nicht vermieden oder durch technische und organisatorische Maßnahmen minimiert werden kann, hilft geeigneter Gehörschutz dabei, Schädigungen abzuwenden.
Gut zu wissen
Das macht guten Gehörschutz aus:
- Personalisiert: Gehörschutz-Otoplastiken sind maßgefertigt und orientieren sich an der Anatomie der tragenden Person.
- Dynamisch: Modelle mit pegelabhängiger Dämmung schützen in einer lauten Umgebung stärker als in einer leisen.
- Koppelbar: Zum Beispiel via Bluetooth verbindet sich Gehörschutz direkt mit dem Handy oder Funkgerät.
Gehörschutz ab 85 Dezibel
Der über den Arbeitstag gemittelte Lärmpegel, dem Beschäftigte ausgesetzt sind, wird als Tages-Lärmexpositionspegel bezeichnet. Liegt er über 85 dB(A), ist Gehörschutz Pflicht. Für Menschen, die bereits einen Hörverlust von über 40 dB(A) haben, gilt Gehörschutz ab einem Schallpegel von 80 dB(A).
Unabhängig von einer bestehenden Hörminderung müssen Arbeitgebende ab 80 dB(A) Gehörschutz bereitstellen. 2019 wurde dieser als persönliche Schutzausrüstung der Kategorie III (Schutz vor irreversiblen Gesundheitsschäden) klassifiziert. Seitdem müssen Unternehmen in der jährlichen Unterweisung die Benutzung von Gehörschutz praktisch üben.
Gehörschutz oft falsch angelegt
Nicht alle Betriebe wüssten allerdings über diese Änderung Bescheid oder setzten sie konsequent um, sagt Sandra Dantscher. Deshalb komme es immer wieder zu vermeidbaren Schäden durch falsch angelegten oder nicht richtig sitzenden Gehörschutz. „Wichtig ist, dass der Gehörschutz zur Anatomie passt“, so die Expertin. Er muss sowohl die Kopfform als auch die Größe der Ohrkanäle berücksichtigen.
Sicherheitsbeauftragte können ein Auge darauf haben, ob Beschäftigte ihren Gehörschutz richtig einsetzen. Regelmäßig nachzuhaken, ob jemand Fragen hat oder es Probleme gibt, hilft.
Viele wissen zudem nicht, dass sich Gehörschutzsysteme ans Handy oder Funkgerät koppeln lassen. In lauter Arbeitsumgebung können die Beschäftigten so den Gehörschutz beim Telefonieren auflassen. Dantscher betont: „Einer der häufigsten Fehler ist, dass Beschäftigte unterschätzen, wie stark das Gehör auch durch kürzere Zeiten ohne Schutz geschädigt werden kann.“
Visuelle Warnsignale
Leidet eine Person bereits an Lärmschwerhörigkeit, braucht sie sowohl besonderen Lärmschutz als auch mehr Unterstützung im Arbeitsalltag. Wie bei allen körperlichen Beeinträchtigungen greift auch bei der Lärmschwerhörigkeit das Zwei-Sinne-Prinzip: Warnsignale müssen immer mindestens auf zwei verschiedene Arten wahrnehmbar sein.
Neben akustischen Signalen sind visuelle Signale sowie Vibrationssignale möglich. Hier können Sicherheitsbeauftragte helfen, indem sie die individuelle Situation der Betroffenen betrachten: Gibt es visuelle Warnsignale? Können die Betroffenen sie gut sehen oder sollte ihr Arbeitsplatz verlegt werden?
Anregungen
Was tun, wenn ein Kollege oder eine Kollegin schwerhörig ist?
- Wenn Beschäftigte Anzeichen einer Lärmschwerhörigkeit zeigen, zu einer betriebsärztlichen Untersuchung anregen
- Führungskräfte darauf hinweisen, dass schwerhörige Personen möglicherweise besseren Gehörschutz benötigen
- Achtgeben, dass die betroffene Kollegin oder der Kollege den Gehörschutz konsequent und richtig trägt
- Darauf achten, ob alles verstanden wird; insbesondere sicherheitsrelevante Informationen
- Beschäftigte fragen, ob sie Warnsignale ausreichend wahrnehmen können
Vorsorgeuntersuchung notwendig
Auch in der täglichen Kommunikation muss die Hörminderung berücksichtigt werden: „Man sollte möglichst nah bei der Person stehen und deutlich sprechen, sodass sie das Mundbild des Sprechenden mitbekommt“, erklärt Dantscher. Sicherheitsbeauftragte können wachsam sein und beobachten, ob Kolleginnen und Kollegen nicht mehr so schnell auf akustische Warnsignale reagieren wie gewohnt.
Dann wäre zu prüfen, ob der Betroffene von der Gehörvorsorge erfasst ist. Liegt eine Hörminderung vor, sollte schnell gegengesteuert werden – beispielsweise mit einem besser geeigneten Gehörschutz.