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Risiken durch Staub am Arbeitsplatz vermeiden
Bei der Fertigung von Hitzeschutztaschen der Firma Delta T wird Staub freigesetzt. Um seine Beschäftigten zu schützen, hat der Betrieb Maßnahmen ergriffen. © Ralph Sondermann

Gesundheitsschutz : Risiken durch Staub am Arbeitsplatz vermeiden

Es entsteht feiner Staub, wenn der Betrieb Delta T Hitzeschutztextilien für die Automobilindustrie produziert. So sorgt das Team für staubarme Arbeitsplätze.

Die Produktionshalle der Delta T Hitzeschutz und Isolation GmbH ist in verschiedene Bereiche unterteilt. Da ist das Lager nahe des Waren­ein- und ausgangs. Dann sind da verschiedene Arbeitsplätze, von der Stanze bis zum Nähplatz. Bewegt man sich wenige Minuten in der Halle, fällt etwas auf, das bis in jede Ecke vordringt: Staub in der Luft, auf dem Boden und an den Maschinen. Er entsteht vor allem durch Glasfasertextilien.

Diese anorganischen Stoffe sind der Hauptbestandteil vieler Produkte, die beim Betrieb im nordrhein-westfälischen Düren gefertigt werden. Das Kleinunternehmen produziert Hitzeschutztextilien und Isolationslösungen für große Automobilzulieferer und weitere Industriekunden. Die Teile werden an anderen Komponenten, wie zum Beispiel Pumpen, befestigt und schützen diese vor Überhitzung. „Unsere Hitzeschutzprodukte stecken in Millionen von Fahrzeugen“, sagt Geschäftsführer Michael Thomas.

Ein Teil der Produkte, die Delta T fertigt, besteht aus Glasseide. Beim Ausstanzen gelangt auch Staub in die Umgebung. © Ralph Sondermann

Hitzeschutztaschen und -schläuche aus Glasseide gehören zu den am häufigsten gefertigten Teilen bei ­Delta T. Auf der einen Seite ist die Seide schwarz, auf der anderen besteht sie aus Aluminium, das Wärme reflektiert. Die Produktion gliedert sich in mehrere Schritte: Zunächst werden die bis zu 80 Kilogramm schweren Rollen mit Glasseide mit einer Hebehilfe in die Stanze eingespannt. Aus den 1,5 Meter breiten Stoffbahnen löst die Maschine die für die weitere Fertigung benötigten Teile. Bereits beim Durchtrennen des Gewebes wird Faserstaub freigesetzt. Ebenso beim nächsten Arbeitsschritt: dem Anbringen von Druckknöpfen.

Abwechselnd im Sitzen und Stehen arbeiten, um die Haltung zu ändern

Die Druckknöpfe werden zum Teil von einem Roboter eingeschossen. „Er arbeitet strikt getrennt von den Mitarbeitenden, damit kein Sicherheitsrisiko besteht“, sagt Betriebsleiter Alexander Schiffer. Doch den Großteil der Druckknöpfe bringen Menschen an. Dafür legen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Stoffteile aus Glasseide in eine Ansetzmaschine. Auf Knopfdruck schießt sie die Druckknöpfe ein.

Mehrere Tausend Druckknöpfe pro Tag bringen die Beschäftigten auf diese Weise an. Mal im Sitzen, mal im Stehen, um die Haltung zu variieren. Beim Einschießen eines jeden Druckknopfs setzen sie winzige Mengen Staub frei. Ähnlich verhält es sich an den Nähtischen. Hier erfolgen die letzten Arbeitsschritte an den Hitzeschutztaschen. Beim Nähen durchbricht die Nadel das Glasseidengewebe, wodurch ebenfalls Staub freigesetzt wird.

Grenzwerte für Staubbelastung werden nicht überschritten

Je nach Konzentration in der Luft und Fasergröße kann der Staub die Gesundheit beeinträchtigen. Der 2012 gegründete Betrieb führte daher mithilfe der Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektro und Medienerzeugnisse (BG ETEM) eine Arbeitsplatzmessung und Feinstaubanalyse durch. Sie ergab, dass die zulässigen Grenzwerte deutlich unterschritten werden. „Die Messungen der Berufsgenossenschaft haben gezeigt, dass unsere Schutzmaßnahmen gut sind“, sagt Michael Thomas. Wer in der Produktionshalle arbeitet, dem bietet der Betrieb dennoch Masken zur frei­willigen Nutzung an.

Beim Druckknopfschießen fassen die Mitarbeitenden die Textilien meist mit Handschuhe an. © Ralph Sondermann

Damit sich nicht zu viel Staub in der Halle sammelt, ergreift der Betrieb mehrere Maßnahmen. Die Arbeitsplätze und Flächen werden regelmäßig gereinigt, Stoßlüften sorgt für frische Luft. Staub kann auch die Haut beeinträchtigen und zum Beispiel Juckreiz auslösen. „Wie empfindlich die Haut reagiert, ist individuell unterschiedlich“, weiß Schiffer. Delta T bietet seinen Mitarbeitenden verschiedene Handschuhmodelle an. An den Nähtischen etwa oder auch bei der manuellen Qualitätskontrolle greifen die Beschäftigten gern darauf zurück, müssen die Stücke hier doch alle einzeln in die Hand genommen werden.

Regeln zur Staubbekämpfung

Schutzmaßnahmen gegen Staub werden nach dem STOP-Prinzip vorgenommen. Wenn es nicht möglich ist, einen Ersatzstoff zu verwenden (Substitution), werden zunächst technische, dann organisatorische und schließlich persönliche Maßnahmen ergriffen. Zusammengefasst sind sie in den „Zehn Goldenen Regeln“ zur Staubbekämpfung:

Substitution

1. Staub gar nicht entstehen lassen: Staubbildung vermeiden, sodass Partikel nicht in die Atemluft gelangen können. Beschäftigte auf die Gefahren und Besonderheiten beim Umgang mit staubenden Materialien und beim Auftreten von Staub aufmerksam ­machen und sie dazu unterweisen.

2. Staubarme Materialien verwenden: Prüfen, ob nicht staubarme Mate­rialien oder Ersatzstoffe mit geringerem Gefährdungspotenzial verwendet werden können.

Technisch

3. Möglichst in geschlossenen Anlagen arbeiten: Die wirksamste technische Möglichkeit, Staub zu ­bekämpfen, ist, wenn er in einem geschlossenen System bleibt. So kann
die staubfreie Aufgabe von Schütt­gütern aus Papiersäcken zum Beispiel durch Sack-Entleerstationen erfolgen.

4. Staub unmittelbar an der Entstehungsstelle absaugen: Dort, wo die Stäube entstehen beziehungsweise austreten, lassen sie sich auch direkt absaugen. So wird verhindert, dass sie sich weiter ausbreiten.

5. Absaugungen verbessern: Die vorhandene Anlage zur Ab­saugung warten und so optimieren, dass sie mehr Staub absaugt.

6. Arbeitsräume maschinell lüften: Durch gezielte Luftzufuhr wird verunreinigte Luft verdrängt oder verdünnt. Wenn wirksames Stoßlüften nicht ­möglich ist oder nicht ausreicht, hilft eine maschinelle Lüftung durch raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen).

Organisatorisch

7. Abfälle sofort und staubfrei beseitigen: Bei der Produktion entsteht auch Abfall. Damit dieser nicht zur Verstaubung beiträgt, sollte er ­direkt entsorgt werden. Am besten durch Auffangsysteme. Das können zum Beispiel Müllsäcke sein, die den Abfall direkt aufnehmen.

8. Arbeitsplätze regelmäßig reinigen: Staub lagert sich auf Fußböden, Maschinen und Anlagen ab. Damit er nicht wieder aufgewirbelt wird, ist es wichtig, die Arbeitsplätze regelmäßig zu reinigen. Um dies so staubarm wie möglich vorzunehmen, ist eine feuchte Reinigung die beste Wahl.

Persönlich

9. Arbeitskleidung sauber halten: Geschlossene Arbeitskleidung zu tragen, ist eine persönliche Schutzmaßnahme. Damit die Kleidung ihre Wirkung erfüllt, muss sie regelmäßig gereinigt werden.

10. Atemschutz bei staubintensiven Arbeiten benutzen: Als letztes Mittel kommen auch Atemschutzmasken zum Einsatz. Bei staubinten­siven Arbeiten können sie als Schutzmaßnahme für eine begrenzte Zeit zum Einsatz kommen.

„Es ist vorbildlich, wie im Betrieb ­Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden angepasst werden“, meint Dr. Jan Schröder-Vorgrimler. Als zuständige Aufsichtsperson der BG ETEM ist er gut mit den Gegebenheiten vertraut. In Düren arbeitet ein sehr vielfältiges Team zusammen. Von den 30 Beschäftigten haben mehrere einen Migrationshintergrund. In der Produktion arbeiten fünf Menschen mit Behinderungen – drei Gehörlose und zwei Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung. „Inklusion ist ein Anliegen von mir“, sagt Geschäftsführer Thomas. Mithilfe des Arbeitsamtes setzte er schon früh darauf, Menschen mit Behinderung als Arbeitskräfte zu gewinnen. „Mir ist es außer­dem wichtig, dass Menschen mit Behinderung mit ihren Kolleginnen und Kollegen ohne Beeinträchtigung arbeiten und nicht eine eigene Einheit oder Abteilung bilden.“

Aufträge übernehmen und Arbeiten selbstständig ausführen

Dabei hilft es, dass sich Arbeitsschritte gut zeigen lassen und Informationen auch schriftlich weitergegeben werden können. Die Mitarbeitenden sind alle so eingearbeitet und geschult, dass sie möglichst viel selbstständig durchführen können. So haben alle einen eigenen Account für das verwendete Computersystem. Auf diese Weise können sie eingeben, dass sie einen offenen Auftrag übernehmen und starten. So macht es zum Beispiel der gehörlose Abdelghafor Bouhra mit einem Auftrag zu Isolierschläuchen. Er zieht einen mehr als zwei Meter langen Schaumstoffschlauch in geübten Handgriffen über eine Schiene, bringt Klebeband an und schlitzt den Schlauch dann längs mit einem durch die Schiene geführten Cuttermesser auf. Schließlich kommt der fertige Isolierschlauch in einen Karton. Weniger als zwei Minuten benötigt Bouhra dafür. Ist er mit der geforderten Stückzahl fertig, markiert er den Auftrag am Rechner als erledigt. Mit anderen Kolleginnen und Kollegen muss er nicht extra kommunizieren.

Geschäftsführer Michael Thomas (links) und Betriebsleiter Alexander Schiffer von Delta T haben ein vielfältiges System für Sicherheit und Teamgeist aufgebaut. © Ralph Sondermann

Gut zu wissen: Barrierefreie Kommunikation

Zwei-Sinne-Prinzip: Informa­tionen immer über mehr als einen Sinn vermitteln. So ­können Untertitel in Videos die audiovisuellen Informationen für gehörlose Menschen zugänglich machen. Für Menschen mit Seheinschränkungen sind wiederum zusätzliche akustische Wege sinnvoll. Insbesondere bei Schutzmaßnahmen ist es wichtig, dieses Prinzip anzuwenden.

Leichter Zugang: Grafiken, Piktogramme oder andere Symbole verwenden, die Texte auf Aushängen oder Plakaten ergänzen. Das erleichtert das Verständnis – auch bei Sprachbarrieren.

  • Tipp 1: Menschen mit Einschränkungen wissen meist, was ihnen hilft, manche trauen sich aber nicht, ihre Vorge­setzten darauf anzusprechen. Sicherheitsbeauftragte können das für sie übernehmen.
  • Tipp 2: Ein Perspektivwechsel kann helfen zu erleben, wie Kolleginnen und Kollegen mit Behinderungen ihre Arbeit leisten und auf welche Schwie­rig­keiten sie dabei stoßen. Sicherheitsbeauf­tragte können dafür einen Rollentausch anregen, bei dem sich Beschäftigte zum Beispiel die Augen verbinden oder in einen Rollstuhl setzen und dann alltäglichen Auf­gaben nachkommen.

Das bedeutet aber nicht, dass sich die Mitarbeitenden im Betrieb nicht untereinander austauschen. Es wird gestikuliert, gerufen und gescherzt. Auch per Smartphone senden sich die Kolleginnen und Kollegen zwischendurch Nachrichten. „Wir kommunizieren viel, auf unterschiedlichen Wegen“, sagt Schiffer. Dazu zählen etwa Aushänge mit zahlreichen Piktogrammen, persönliche Gespräche, aber auch Gruppendiskussionen. Alle zwei Wochen gibt es im Betrieb ein Ideentreffen, bei dem über mögliche Verbesserungen, auch für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, gesprochen wird. Dabei kam zum Beispiel aus der Belegschaft der Vorschlag, Stahlpfeiler in der Produktionshalle zu polstern, damit sich Beschäftigte mit einer Sehbeeinträchtigung nicht verletzen, sollten sie dagegen stoßen. Die Idee wurde umgesetzt – zu einer Kollision kam es aber noch nicht. Auch sonst kommt es nur sehr ­selten zu einem Arbeitsunfall. „Die Prävention funktioniert. Die Mitarbeitenden sind gut geschult und haben die Sicherheit verinnerlicht“, sagt Geschäftsführer Thomas.

Gesprächsrunden im großen Kreis mit Flipchart

Zusätzlich zu den Ideentreffen kommt die gesamte Belegschaft einmal im Monat zu einer gemeinsamen Besprechung in der Produktionshalle zusammen. Dabei geht es um anstehende betriebliche Veränderungen, den Stand von Audit-Verfahren, aber auch um Arbeitsschutzthemen wie etwa die Aufforderung, das regelmäßige Trinken nicht zu vergessen. In den Gemeinschaftsräumen stellt das Unternehmen dafür Kaffee, Tee und Wasser bereit. Auf einem Flipchart hält Schiffer die wichtigsten Punkte in großer Schrift fest, damit alle mitlesen können. Die gehörlosen Beschäftigten nutzen zudem die Sprache-zu-Text-Funktion ihrer Smartphones, um alles zu verstehen.

Alle sechs Wochen treffen sie sich zudem mit dem Betriebsleiter zu einem Gehörlosenkreis. Für diese Termine kommt vom Integrationsfachdienst Düren eine Person zum Gebärdendolmetschen hinzu. „Wir besprechen dann wichtige betriebliche Fragen noch einmal intensiver und detaillierter in kleiner Runde. Außerdem besteht die Gelegenheit, andere Themen anzusprechen. Wir unterstützen zum Beispiel bei Behördengängen oder Anträgen“, sagt Schiffer.

Den Teamgeist aller fördern gemeinsame Betriebsfeste, aber auch spontane Aktionen wie beispielsweise ein gemeinsamer Kneipenbesuch. Zuvor heißt es allerdings: umziehen. Denn in der Arbeitskleidung hängt noch der allgegenwärtige Staub – und der darf am Arbeitsplatz bleiben.