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Anschnallen, bitte!
Angurten nicht vergessen: Das sollten Betriebe auch in Unterweisungen immer wieder thematisieren. © Picture Alliance/Zoonar

Verkehrssicherheit : Anschnallen, bitte!

In Nutzfahrzeugen sind noch zu viele Beschäftigte nicht angegurtet. Dabei schützt der Gurt bereits bei geringem Tempo vor Unfallfolgen.

Wenn ein Lkw auf die Seite kippt oder sich überschlägt, drohen schwere Verletzungen. Mit einem Überschlagsimulator ist es möglich, sich dem ohne Risiko auszusetzen. Er besteht aus der Fahrerkabine eines Lkw, die komplett zur Seite und auf den Kopf drehbar ist – mitsamt Fahrerin oder Fahrer.

„Man hängt kopfüber, und nur der Sicherheitsgurt hält einen im Fahrersitz“, sagt Renate Bantz, Leiterin der Fachgruppe Verkehrssicherheit bei der Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft, Post-Logistik, Telekommunikation (BG Verkehr). „Die Dimensionen einer Lkw-Fahrerkabine sind viel größer als im Pkw. Man kann sich gut vorstellen, wie schwer die Verletzungen wären, würde man ohne Gurt herumgeschleudert.“

Gurtschlitten simulieren Auffahrunfälle bei geringer Geschwindigkeit

Die BG Verkehr setzt diesen Simulator und einen zweiten regelmäßig auf Messen, auf Rasthöfen und in Betrieben ein. Der zweite ist ein sogenannter Gurtschlitten. Er wird auf zehn Kilometer pro Stunde beschleunigt und dann abrupt abgebremst, so als würde man auf einen vorausfahrenden Lkw auffahren.

„Wegen der spürbaren Wirkung auf den Körper schätzen viele ihre Geschwindigkeit sehr viel höher ein“, sagt Renate Bantz. „Hören sie, dass es nur 10 km/h waren, ist die Überraschung groß.“ Wer den Gurtschlitten nutze, bei dem mache es klick, so Renate Bantz: „Das Nachdenken beginnt.“

Gut zu wissen

Sicherheitsgurt in Betrieben:

  • Auf Privatgelände sind Arbeitgebende für die Verkehrssicherheit zuständig.
  • Sie können eine Anschnallpflicht vorgeben und so das Risiko für Unfälle auf Firmen- und Werksgelände verringern.
  • Thema Sicherheitsgurt in die Gefährdungsbeurteilung aufnehmen, in Unterweisungen und Betriebsanweisungen berücksichtigen
  • Sicherheitstage veranstalten; Anfragen für den Lkw-Überschlagsimulator und -Gurtschlitten für Betriebe der BG Verkehr: simulatoren@bg-verkehr.de
  • Sicherheitstrainings für Fahrerinnen und Fahrer organisieren, etwa über die Website des DVR oder per E-Mail an 
Lisa Falkenberg: 
lfalkenberg@dvr.de

Jede sechste Person am Steuer eines Lkw legt Sicherheitsgurt nicht an

Überschlagsimulator und Gurtschlitten sind Teil der Kampagne „Hat’s geklickt?“ der BG Verkehr und des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR).

Als sie 2002 startete, lag die Gurtquote bei erschreckenden 15 Prozent – obwohl seit 1992 Sicherheitsgurte in Lkw und Transportern verpflichtend sind. Inzwischen ist die Quote gestiegen. Doch noch immer fährt jede sechste Fahrerin und jeder sechste Fahrer ohne Gurt. Das zeigt 2022 eine Umfrage der DEKRA in Deutschland, Frankreich, Tschechien und Dänemark.

Gurt anlegen gilt als uncool

Laut BG Verkehr lassen sich 80 Prozent aller schweren Unfallfolgen vermeiden oder zumindest vermindern, wenn der Sicherheitsgurt angelegt ist. Das subjektive Sicherheitsgefühl sei ein Grund, warum viele dennoch darauf verzichten, so Renate Bantz. „In einem 40-Tonner fühlt man sich weniger verletzlich. Man hat die ungeheure Kraft und Masse hinter sich und blendet aus, dass man bei einer Kollision mit einem anderen Lkw oder einem Überschlag mindestens genauso schwer verletzt werden kann wie in einem Pkw.“

Dazu kommt eine komplexe Mischung anderer Motive. Das Rheingold-Institut ist ihnen in einer Umfrage beim Start der Kampagne nachgegangen. Demnach herrscht hinter dem Steuer eines Lkw häufig das Gefühl des Erhabenseins über die restliche Welt vor, die wie abgekoppelt erscheint. Ohne Gurt zu fahren, scheint aber auch ein Coolnessfaktor zu sein. Eine Aussage in der Umfrage: „Das sind die Mimöschen, die sich anschnallen.“

Im Überschlagsimulator erleben Fahrerinnen und Fahrer, wie sie nur noch der Gurt schützt, wenn sie kopfüber in der Kabine hängen. © BG Verkehr

Sicherheitsbeauftragte können für die Gurtpflicht sensibilisieren

Hier seien die Sicherheitsbeauftragten in den Betrieben gefragt, darauf zu achten, dass das Thema immer wieder angesprochen wird, sagt Renate Bantz. „Sicherheitsbeauftragte können die Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer über die Aspekte der Gurtpflicht informieren und auf die Risiken des Fahrens ohne Gurt aufmerksam machen.“ Möglich ist dies etwa im Rahmen der regelmäßigen Sicherheitsunterweisungen oder auf Sicherheitstagen.

In den vergangenen Jahren habe sich hier bereits viel getan, so Renate Bantz. Auch weil der Anteil der Fahrerinnen und Fahrer steigt, die nicht fließend Deutsch sprechen, geht Überzeugungsarbeit mithilfe der Simulatoren dennoch weiter. Denn ein solches Erlebnis funktioniert über Sprachgrenzen hinaus.

Lieber überzeugen als auf Abschreckung setzen

Für das Anschnallen sprechen auch finanzielle Aspekte: Wer nicht angegurtet in einem Fahrzeug mitfährt, muss mit mindestens 30 Euro Bußgeld rechnen. Den Betrag müssen Beschäftigte selbst zahlen.

In der Kampagne der BG Verkehr spielt das aber nur eine untergeordnete Rolle. „Wir wollen nicht mit Strafen drohen, sondern wir wollen überzeugen“, so Renate Bantz. „Es muss im wörtlichen Sinn klick machen wie in unserem Kampagnen­slogan.“