Verkehrssicherheit : Auf Landstraßen sicher überholen

Ein Morgen auf der Landstraße: Hinter einem Lkw hat sich eine lange Schlange von Autos gebildet. Nacheinander versuchen die Ausgebremsten, den langsamen Sattelzug zu überholen, manchmal auch kurz vor einer Kurve. Und schon kann es brenzlig werden. Denn Überholmanöver auf Landstraßen sind ganz besonders gefährlich, wenn der Gegenverkehr nicht klar einsehbar ist: vor Kurven oder Kuppen.

Viele entscheiden sich dennoch dafür zu überholen und werden oftmals von entgegenkommenden Fahrzeugen überrascht. Im schlimmsten Fall können die Beteiligten nicht mehr ausweichen und es kommt zum Zusammenstoß. Oft mit dramatischen Folgen: Im Jahr 2021 wurden laut des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) 486 Menschen bei Zusammenstößen mit entgegenkommenden Fahrzeugen auf einer Landstraße getötet.

Auf Landstraßen Gefahren oft falsch eingeschätzt

Eine Ursache für waghalsige Überholmanöver ist Selbstüberschätzung der Fahrenden. Das betrifft nicht nur Menschen, die wenig Erfahrung hinter dem Steuer haben. „Selbstüberschätzung am Steuer ist ein generationenübergreifendes Problem“, erklärt Tanja Nagel, Referentin für Aus- und Weiterbildung beim DVR.

Die Ursachen dafür seien jedoch unterschiedlich: „Jüngere Verkehrsteilnehmende überschätzen tendenziell ihre eigenen Fahrfertigkeiten. Ihre Beobachtungsstrategien sind weniger stark ausgeprägt, wodurch sie Gefahren noch nicht rechtzeitig erkennen können.“ Bei älteren Verkehrsteilnehmenden könne die langjährige Fahrpraxis hingegen dazu verleiten, sich in falscher Sicherheit zu wiegen und gefährliche Situationen zu unterschätzen.

Von anderen nicht drängeln oder ablenken lassen

Wie lässt sich eine sorgsamere Fahrweise auf Landstraßen angewöhnen? Expertin Nagel empfiehlt: „Besonders geeignet ist ein mentales Training im Vorfeld. Hier stellt man sich gedanklich aufgrund seiner Erfahrungen immer wieder Überholmanöver vor und stellt sich vor allem folgende drei Fragen: Muss ich wirklich überholen? Darf ich überholen? Und: Kann ich überholen?“

Von Fahrzeugen hinter sich, sollte man sich nicht ablenken und drängeln lassen. Wichtig ist außerdem, auf die Witterungsverhältnisse zu achten. Niederschlag führt zu schlechterer Sicht und glatten Fahrbahnen, was sich direkt auf Überholmanöver auswirkt. Auch bei Nebel ist die Sicht eingeschränkt, Geschwindigkeit und Abstände müssen angepasst werden. Unabhängig davon gilt bei allen Überholmanövern: generell lieber zu viel Weg einplanen als zu wenig.

Am Arbeitsplatz über tägliche Arbeitswege sprechen

Sicherheitsbeauftragte in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen haben verschiedene Möglichkeiten, ihren Kolleginnen und Kollegen eine sichere Fahrweise näherzubringen. „Ein erster und wichtiger Schritt ist, überhaupt auf das Thema aufmerksam zu machen“, so Nagel. „Der Mehrheit der Beschäftigten ist nicht bewusst, wie mobil sie im Rahmen ihrer Arbeits­tätigkeit sind. Diese erste Sensibilisierung kann sehr gut in lockeren Gesprächen über die täglichen Arbeitswege durchgeführt werden.“

Passende Medien, um Diskussionen anzustoßen, bietet die gemeinsame Schwerpunktaktion „Trügerisch schön“ vom DVR und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Neben Videoclips zu Gefahrensituationen stehen Vorlagen für Präsentationen und Seminare auf der Website zur Verfügung.

Auf Landstraßen sicher überholen als Thema für einen Aktionstag

Gemeinsam mit Verantwortlichen aus der Arbeitssicherheit können Sicherheitsbeauftragte in ihrem Betrieb ­weitere Aktivitäten organisieren, wie einen Verkehrssicherheitstag oder eine Informationsveranstaltung für die Beschäftigten. Der DVR, Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ­bieten hierfür Seminare, kostenlose Informationsmaterialien und Fahr­sicher­heits­trainings an. Beim Training oder bei Fahrten an Simulatoren können Beschäftigte dann üben, wie sie auf Landstraßen überholen sollten: vorausschauend und sicher.