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Auf dem Flachdach von allen Seiten gut gesichert
Metallbauer Noel Horn (vorn) und Schlosser Justus Schmitt montieren auf einem Flachdach ein Geländer. Bis es steht, müssen sie persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) tragen. © David Spaeth

Arbeitssicherheit : Auf dem Flachdach von allen Seiten gut gesichert

Geländer schützen am effektivsten vor Absturz. Die Höhentechnik Förster Safetysolutions montiert Geländer und muss dabei die eigenen Beschäftigten vor Abstürzen schützen.

Helles Scheppern durchdringt die Stille auf einem Dach im Wiesbadener Stadtteil Biebrich. Seit dem frühen Morgen sind der Metallbauer Noel Horn und Schlosser Justus Schmitt von der Höhentechnik Förster Safetysolutions GmbH dabei, entlang der Flachdachkante eines Industriegebäudes ein Metallgeländer aufzubauen. Meter um Meter montieren sie dafür Rohre, Pfosten und Verbindungen aus Eisen. Ansonsten ist es hier, in 25 Metern Höhe, ruhig.

Der Lärm der Straße dringt kaum nach oben. Der Blick geht weit über die Stadt. Es ist ungemütlich grau, immerhin windstill und trocken. Horn und Schmitt beschweren jedes Geländerteilstück mit Gewichten von 25 bis 50 Kilogramm. Innerhalb von zwei Tagen wird die Konstruktion vollständig montiert sein und Personen, die das Dach betreten, vor Absturz schützen.

Gut zu wissen

  • 30,6 Prozent der tödlich verunglückten Beschäftigten stürzten aus einer Höhe zwischen fünf und zehn Metern.
  • 31 Prozent: aller gemeldeten tödlichen Arbeitsunfälle von 2009 bis 2023 sind auf Abstürze zurückzuführen. Das entspricht 717 Absturzunfällen.

Quelle: „Tödliche Arbeitsunfälle – 
Absturzunfälle“, baua.de, 2023

Dachzugänge, Lichtkuppeln und hohe Maschinen sichern

Das Geländer ist Bestandteil ­eines umfassenden ­Sicherheitskonzeptes, das die Höhentechnik Förster Safetysolutions aktuell für einen Industriepark ­in Wiesbaden ent­wickelt und umsetzt. Seit bereits einem Jahr sind Geschäftsführer Sascha Förster und sein Team damit beschäftigt, den Industriepark in Sachen Absturzsicherung auf den neuesten Stand zu bringen. Ihr Auftrag führt sie in und auf viele Gebäude. „Unter anderem bringen wir Dachzugänge an, sichern Lichtkuppeln, installieren Absturzsicherungssysteme und sorgen für sichere Zugänge an Maschinen, damit beispielsweise hoch liegende Filter ohne Absturzgefahr gewechselt werden können“, sagt Förster.

Im gesamten Rhein-Main-Gebiet ist er als Prüfer, Berater und Planer von Absturzsicherung unterwegs. „Immer dann wenn es da­rum geht, dass Beschäftigte gefährdet sind, weil sie irgendwo hingelangen müssen, kommen wir ins Spiel.“ Neben zwei fest angestellten Beschäftigten gehören vier freie Mitarbeiter zum Team. Maßgeblich um den Arbeitsschutz kümmert sich Geschäftsführer Förster. Aufgrund der geringen Beschäftigtenzahl gibt es keine Sicherheitsbeauftragten, die ihn dabei unterstützen.

Sascha Förster, Geschäftsführer von Höhentechnik Förster Safetysolutions © David Spaeth

Beschäftigte sichern sich mit PSAgA und einem Seilsicherungssystem

Auf dem Dach in Wiesbaden-Biebrich rastet gerade auf einer Längsseite der letzte Holm in seine Verankerung und wird mit geübten Handgriffen festgeschraubt. Noel Horn und Justus Schmitt wollen nun an einer anderen Dachseite den Aufbau des Geländers fortführen. Solange der Kollektivschutz nicht steht, müssen sie persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) tragen.

Während sie sich entlang der Absturzkante bewegen, sind ihre Gurte über einen Karabinerhaken mit einem Seilsicherungssystem verbunden. Gegenüber Einzelanschlagpunkten hat es den Vorteil, dass sich beide Beschäftigten gleichzeitig und durchgängig daran sichern können. Den Karabiner zu lösen, um zwischen Anschlagpunkten zu wechseln, ist sehr selten notwendig.

Klicktipps

DGUV Regel: PSAgA richtig verwenden

Film über sicheres Verhalten auf Dächern auf 
arbeitsschutzfilm.de

KulturdialogePrävention: Gefahr durch Absturz im Team thematisieren

FAQ rund um das Thema
 Absturzsicherung

In Notfällen sollten Beschäftigte das Flachdach schnell verlassen können

Absturz ist aber nicht die einzige Gefahr, die im Fokus der Höhentechnik Förster Safetysolutions steht. Bevor die Beschäftigten ihre Arbeit aufnehmen, inspiziert Sascha Förster den Einsatzort genau: „Ich schaue zum Beispiel, ob es nicht betretbare Dachflächen oder gefährliche Dachöffnungen gibt, wo sich die Fluchtwege befinden und ob Stromleitungen in der Nähe sind.“

Fluchtwege sind beispielsweise bei Wetterumschwüngen wichtig. Wenn es plötzlich regnet oder stürmt, müssen die Beschäftigten das Dach schnell verlassen können. All das fließt in die Gefährdungsbeurteilung ein. Anschließend werden Schutzmaßnahmen festgelegt und die Beschäftigten über sie unterrichtet.

Zusätzlich prüfen die Beschäftigten selbst das Dach anhand einer Checkliste. Dadurch sensibilisieren sie sich aktiv für die Gefährdungen und die umzusetzenden Schutzmaßnahmen, bevor sie mit der Arbeit beginnen. „Wir entscheiden vor Ort, ob unser Arbeitsplatz sicher ist. Wenn uns irgendwas auffällt, haben wir das Recht, die Arbeit nicht aufzunehmen. Dann kontaktieren wir unsere Führungskraft, und sie kümmert sich darum, offene Fragen zu klären“, sagt Noel Horn.

Bevor die Beschäftigten die Arbeit aufnehmen, gehen sie per Checkliste alle Risiken und die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen durch. © David Spaeth

Zusammenhalt im Team für sicheres Arbeiten sehr wichtig

Was Sascha Förster über Dächer von Industriegebäuden meist in Erfahrung bringen muss, betrifft die Ausblasöffnungen. Aus Laboren oder Werkshallen werden hierüber Gase abgeleitet, die nicht selten giftig sind. „Während die Beschäftigten unten dank der technischen Absaugung geschützt sind, können die Gase meine Beschäftigten oben gefährden“, sagt Förster.

Bei jeder Ausblasöffnung forscht er deshalb nach, was genau entweicht, und richtet gegebenenfalls rund um die Öffnung ­Sicherheitsabstände ein. Auch Sendemasten von Mobilfunkanlagen sind gefährlich und müssen im Zweifel abgeschaltet werden.

Nicht zu vernachlässigen beim Arbeitsschutz ist außerdem der Zusammenhalt im Team. Förster: „Die Beschäftigten sind meist zu zweit unterwegs. Die Kollegen sollen dann nicht nur auf sich selbst, sondern auch aufeinander aufpassen. Deshalb ist es mir wichtig, dass sie sich untereinander leiden können. Ich achte schon beim Recruiting darauf, dass neue Mitarbeitende ins Team passen.“

„Argumente gegen Geländer auf Dächern gibt es nicht“

Wenn Sascha Förster Kundinnen und Kunden berät, legt er ­gern den Finger in die Wunde – vor allem wenn er Flachdächer ohne Geländer vorfindet. Denn wichtiger als PSAgA ist nach dem STOP-Prinzip der Kollektivschutz. Damit sind Sicherungssysteme gemeint, die alle Personen schützen, die sich in absturzgefährdeten Bereichen aufhalten. Zum Kollektivschutz gehören Geländer sowie Auffanggitter und -netze. Kollektivschutz hat gegenüber PSAgA einige Vorteile.

„Mit ­einem festen Geländer ist die Dachfläche dauerhaft gesichert. Das heißt, der Eigentümer oder die Betreiberin des Gebäudes kann jederzeit jemanden aufs Dach lassen, etwa um Lüftungsanlagen zu warten oder Photovoltaikanlagen zu reinigen“, erklärt Förster. Oft seien mit solchen Aufgaben nämlich Beschäftigte aus sogenannten dachfernen Berufen betraut, beispielsweise Elektrikerinnen, Techniker oder Facility Manager. „Sie sind für Gefährdungen auf Dächern nicht sensibilisiert und im Umgang mit Schutzausrüstung nicht ausreichend geschult. Das kann zu riskanten 
Situationen führen. Deshalb sag ich immer: Geländer, fertig und gut.“

In Gesprächen mit Gebäudeverantwortlichen wird Förster jedoch häufig mit kruden Gegenargumenten konfrontiert. Geländer würden Photovoltaikanlagen beschatten und die Stromgewinnung schmälern – oder optisch nicht passen. „Beides ist Unsinn. Stichfeste Argumente gegen Geländer auf Dächern gibt es nicht“, sagt der Fachmann. Sein Team trägt dazu bei, dass Unternehmen die gesetzlichen Sicherheitsvorschriften erfüllen. Auch Gernot Anders, zuständige Aufsichtsperson der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU), ist zufrieden: „Wir begrüßen, dass der Industriepark alle seine Gebäude mit einem Geländer ausstattet und damit die vorgeschriebenen technischen Maßnahmen ergreift.“

Noel Horn befestigt seine PSAgA mit einem Karabinerhaken am Seilsicherungssystem. © David Spaeth

Offener Umgang mit unsicheren Situationen auf dem Flachdach

Kommunikation auf Augenhöhe und ein lockerer Umgang im Team tragen dazu bei, dass unsichere Situationen und Beinahe-Unfälle offen und vertrauensvoll besprochen werden können. „Wenn wir jemanden beobachten, wie er mit dem Rücken zur Dachkante läuft oder in einem Gefahrenbereich stolpert, weil er unkonzentriert ist, dann sprechen wir das sofort an. Und das nimmt auch keiner übel“, erzählt Justus Schmitt. Der Chef ist davon nicht ausgenommen: „Ich versuche natürlich, mit gutem Beispiel voranzugehen. Aber auch ich vergesse mal meine Schutzbrille im Auto“, ergänzt Förster lachend.

Aufsichtsperson Gernot Anders betont die Bedeutung von anlassbezogenen Arbeitsschutzgesprächen in Unternehmen: „Die Auswertung von Unfällen, Beinahe-Unfällen und anderen Fehlern ist sehr wichtig. Die Verantwortlichen müssen prüfen: Was ist passiert, warum ist das passiert und wie können wir das künftig besser machen? In der Regel müssen die Gefährdungsbeurteilung und der jeweilige Arbeitsprozess angepasst werden.“ Gernot Anders begleitet die Höhentechnik Förster Safety­solutions seit vielen Jahren. Wenn Probleme oder Fragen auftauchen, ist die BG immer erreichbar.

Arbeitsschutzkultur etablieren und Beschäftigte motivieren

Entscheidend ist für Sascha Förster der Schritt, den Arbeitsschutz in der Unternehmenskultur zu etablieren. Oft beobachtet er in anderen Firmen, dass Beschäftigte Sicherheitsmaßnahmen als notwendiges Übel ansehen und sie nur umsetzen, weil die Vorgesetzten es wollen. „Diese Einstellung kann ich nicht nachvollziehen. Arbeitsschutz dient letztendlich ja nicht den Arbeitgebenden, sondern den Arbeitnehmenden. Ich möchte erreichen, dass meine Beschäftigten verstehen, dass es um sie geht. Sie sollen ein persönliches Interesse daran haben, dass sie ihre Rente erleben – und bis dahin jeden Tag gesund nach Hause kommen.“