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Instandhaltung: Störungen auf der Spur
Tätigkeiten mit erhöhter Gefährdung führen die Mitarbeiter der Instandhaltung stets im Zweier-Team durch. Ein Kollege ist auf der Maschine, der andere bedient die mobile Höhensicherung. © David Spaeth

Arbeitssicherheit : Instandhaltung: Störungen auf der Spur

Regelmäßige Wartung von Produktionsanlagen ist wichtig. Wie die Aufgaben rund um die Instandhaltung bei Multivac optimiert wurden.

Der Tausch eines defekten Kühlaggregats klingt zunächst eher einfach und kaum gefährlich. Doch im Maschinenbau ist vieles eine Nummer größer, vor allem die Anlagen, mit denen es die Beschäftigten zu tun haben. Um überhaupt an das Kühlaggregat der Produktionsanlage heranzukommen, geht es für Sascha Ostrowski zweieinhalb Meter nach oben – und damit in eine Höhe, in der ein Absturz bereits schwere Verletzungen verursachen kann.

Absturzsicherung ist deshalb Pflicht, unabhängig davon, wie vermeintlich zügig und routiniert die Wartungsarbeit erledigt ist. Seine persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) befestigt der Instandhaltungsmitarbeiter der Firma Multivac an einem mobilen Anschlagpunkt, den ein Kollege mithilfe einer Fernbedienung über ihm positioniert hat. Mit einem mobilen Montagekran wiederum wird das Kühlaggregat aus der Maschine gehoben.

Zwei mobile Geräte aufbauen und dann noch eine Arbeit von zwei Stunden erledigen? Das klingt sehr aufwendig. Für Ostrowski und seine Kollegen aus der Instandhaltung ist es aber selbstverständlich, den Zugang zu ihren Arbeitsplätzen gewissenhaft zu planen und ein Absturzrisiko zu minimieren.

Bei der Reparatur großer Maschinen kommen zum Teil auch aufwendige Hilfsmittel zum Einsatz. © David Spaeth

Abteilungen Instandhaltung und Arbeitsschutz arbeiten zusammen

Die Reparatur erfolgt in einer Werkshalle im bayerischen Wolfertschwenden, dem Stammsitz von Multivac. Hier entstehen Verpackungsmaschinen, die unter anderem Lebensmittel hygienisch umschließen. Die verschiedenen Elemente der Verpackungsmaschinen stellt Multivac einzeln her und baut sie Stück für Stück zusammen.

Die Basis einer störungsfreien Produktion mit konstanten Ergebnissen sind einwandfreie Anlagen. Reparaturen und Wartungsarbeiten müssen zügig und fachgerecht durchgeführt werden. Dafür zuständig sind acht Mitarbeiter unter der Leitung von Jürgen Reichart und Thomas Gromer. Sie sind auf die Instandhaltung der komplexen Fertigungsanlagen spezialisiert, darunter Fräsmaschinen, Pressen, Schweiß- und Schneidanlagen. „Das Tätigkeitsfeld ist breit. Je nach Arbeitsaufgabe und Maschine sind mechanische, elektrische oder technische Maßnahmen notwendig. Die Kollegen müssen beispielsweise Filter oder Ventile wechseln – oder auch mal ein ganzes Messsystem“, beschreibt Reichart die Aufgaben seines Teams.

Die Fachleute erledigen die meisten der anfallenden Wartungen und Reparaturen selbst. Nur wenige Maschinen lässt das Unternehmen durch externe Dienstleister warten. „Für prüfpflichtige Betriebsmittel wie zum Beispiel Schweißgeräte oder Vakuumheber beauftragt die Instandhaltung den jeweiligen Hersteller“, so Reichart.

Impulse: So können Sicherheitsbeauftragte unterstützen

  • Im Arbeitsalltag darauf achten, ob Kolleginnen und Kollegen Schutzmaßnahmen akzeptieren. Ist dies nicht der Fall, Unterweisungen, Schulungen oder eine Anpassung der Schutzmaßnahmen bei Vorgesetzten anregen.
  • Festgesetzte Schutzmaßnahmen auf Praktikabilität prüfen. Eventuell waren bei der vorhergehenden Beurteilung der Arbeitsbedingungen nicht alle Risiken bekannt und sind erst in der Praxis sichtbar geworden.
  • Findet Alleinarbeit ohne Kenntnis der Vorgesetzten statt, etwa in der Nachtschicht oder am Wochenende, diesen Umstand mitteilen. Zudem organisatorische Maßnahmen anregen.
  • Grundsätzlich Führungskräfte über unsichere Situationen und Missstände informieren, damit sie die erforderlichen Schutzmaßnahmen treffen können.
  • Wenn Beschäftigte Arbeitsbedingungen bei der Instandhaltung gefährlicher einstufen als ihre Vorgesetzten, den Austausch zwischen Belegschaft und Führung anregen.

Dank geeigneter Arbeitsmittel sind Beschäftigte besser geschützt

Dass bei Multivac für Wartungsarbeiten in der Höhe heute die richtigen technischen Hilfsmittel bereitstehen und Beschäftigte sie nutzen, ist das Ergebnis eines umfangreichen Optimierungsprozesses. In Gang gesetzt wurde er von der Geschäftsführung, nachdem es bei Instandhaltungstätigkeiten in der Vergangenheit zu unsicheren Situationen gekommen war. Vorangetrieben hat den Prozess insbesondere Rupert Saalwirth, leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit, gemeinsam mit Jürgen Reichart, Bereichsleiter Technik, und Thomas Gromer, Abteilungsleiter Instandhaltung.

Insbesondere Gromer ist nah dran an den Maschinen und kennt die Gefährdungen sehr genau. Sein Wissen und seine Erfahrungen direkt aus der Praxis waren sehr wichtig, um zu beurteilen, wo optimiert werden muss und welche Schutzmaßnahmen praktikabel sind. „Die Verbesserungen konnten nur deshalb so erfolgreich umgesetzt werden, weil die Abteilungen Arbeitsschutz und Instandhaltung eng zusammengearbeitet haben. Das spezifische Fachwissen aller Personen hat gezählt“, sagt Saalwirth.

Rupert Saalwirth (links) und Thomas Gromer arbeiten eng zusammen. © David Spaeth

Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu besserem Arbeitsschutz war die Anschaffung verschiedener Arbeitsmittel. Darunter das Gerät für die mobile Höhensicherung, mit dem Beschäftigte hoch gelegene Arbeitsplätze sicher erreichen können. „Die Gefährdungen in der Instandhaltung sind so vielfältig wie die anfallenden Aufgaben. Je nach Tätigkeit müssen wir verschiedene Risiken gleichzeitig berücksichtigen. Dies macht den Arbeitsschutz besonders anspruchsvoll“, erklärt Gromer. Der Abteilungsleiter hat den Arbeitsschutz in seiner Abteilung zur Chefsache erklärt.

Da das Team zudem mit acht Personen übersichtlich ist und sich mit Saalwirth bereits eine kompetente Arbeitssicherheitsfachkraft um den Arbeitsschutz kümmert, gibt es speziell für die Instandhaltung keine Sicherheitsbeauftragten. Gleichwohl gibt es hier an der Niederlassung 24 Sicherheitsbeauftragte. Sie engagieren sich in den Abteilungen Verwaltung, Logistik, Produktion und Fertigung.

Maschinen sollten gut zugänglich sein. Multivac stellt speziell entworfene Aufgänge bereit, damit Beschäftigte Gefahrenstellen überwinden können. © David Spaeth

Geregelter Freischaltprozess für abgeschaltete Maschinen

Am häufigsten haben es die Beschäftigten in der Instandhaltung mit Risiken durch Arbeiten in der Höhe und Strom zu tun. Ebenso sind sie vor mechanischen Gefährdungen zu schützen. Das heißt ganz praktisch: Eine für Instandhaltungsarbeiten ausgeschaltete Maschine darf nicht aus Versehen eingeschaltet werden, wenn noch jemand an ihr arbeitet. Gerade an so großen Fertigungsanlagen wie bei Multivac ist aber nicht leicht zu überblicken, ob jemand an oder in der Maschine arbeitet.

Die Lösung ist der sogenannte Freischaltprozess nach LOTO mithilfe eines Lockout-Tagout-Systems. Hauptbestandteil sind namentlich gekennzeichnete Vorhängeschlösser, um Maschinen gegen unbefugtes oder unerwartetes Ingangsetzen zu sichern. Vor einer Instandhaltung wird die Maschine dafür abgeschaltet und abgesperrt. Dabei verriegelt jede involvierte Person einzeln mit ihrem Schloss den Hauptschalter. Die Anlage kann somit erst wieder in Betrieb genommen werden, nachdem die beteiligten Beschäftigten ihre Arbeiten abgeschlossen und ihr Vorhängeschloss abgenommen haben. Beim geschilderten Kühlaggregattausch ist das Lockout-Tagout-System zum Schutz vor einem Stromschlag essenziell. Wenn möglich, findet dieses Vorgehen bei allen Reparaturen und Wartungstätigkeiten statt. Es ist laut der 4-Rang-Methode die wichtigste Schutzmaßnahme bei der Instandhaltung von Maschinen.

Erst wenn alle Beteiligten nach einer Wartung ihr Schloss gelöst haben, kann die Maschine wieder in Gang gesetzt werden. © David Spaeth

Gefährdungsbeurteilung konsequent vor jeder Instandhaltung

Nicht immer ist eine Instandhaltung jedoch so gut planbar wie regelmäßig anfallende Wartungsaufgaben. Oft müssen die Kollegen des Instandhaltungsteams ad hoc tätig werden, nämlich dann, wenn eine Anlage plötzlich nicht mehr wie gewohnt funktioniert. Dann heißt es, die Ursache zu ermitteln. „Fehlersuche und -analyse sowie anschließende Reparaturen und Instandsetzungstätigkeiten sind oft sehr gefährlich, da sie an Maschinen mit beweglichen Baugruppen stattfinden“, sagt Gromer. Gleichzeitig seien genau diese kreativen Aufgaben so spannend: „Kommt man dem Problem auf die Spur und bringt die Maschine wieder zum Laufen, macht das schon Spaß.“

Gut zu wissen

Gefährdungsbeurteilung: Auch wenn Tätigkeiten sehr einfach und schnell durchführbar zu sein scheinen, sind Gefährdungen zu beurteilen und Maßnahmen festzulegen.

Keine Alleinarbeit: Gefährliche Tätigkeiten nie allein durchführen. Einsatz einer Personen-Notsignal-Anlage nach DGUV Regel 112-139 prüfen.

Risibewusstsein: Beschäftigte durch Unterweisungen sensibilisieren. Grundsätzlich (charakterlich) geeignete und qualifizierte Personen mit gefährlichen Tätigkeiten betrauen. Falls erforderlich: Freigabe- oder Erlaubnisscheinverfahren einsetzen.

Kommunikation: Wenn Lärm oder eingeschränkte Sicht die Verständigung erschweren, diese über Funkgeräte, Kameras oder Spiegel ermöglichen. Im Vorfeld Kommunikations-regeln absprechen.

4-Rang-Methode: Risiken beurteilen und Schutzmaßnahmen festlegen.

 

Klicktipps

Regeln für die Instandhaltung von Maschinen

Instandhaltung mit dem System „Lockout/Tagout“ (kurz LOTO)

Nach den Erfahrungen von Marc-Manuel Freitag, Präventionsexperte und zuständige Aufsichtsperson der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), sind genau diese akuten Situationen kritisch. „Die Produktion soll ja möglichst schnell weiterlaufen, die Kolleginnen und Kollegen aus der Fertigung wollen weitermachen. Dadurch lastet ein starker Druck auf den Beschäftigten der Instandhaltung. Sie müssen dennoch einen kühlen Kopf bewahren und dürfen sich nicht zu Improvisationen hinreißen lassen“, mahnt er und fügt hinzu: „Der Schlüssel zur sicheren Instandhaltung ist es, Improvisationen nicht zuzulassen, sondern unerwartete Situationen unter Kontrolle zu bringen. Und genau das hat das Unternehmen hier geschafft. Eine wichtige Leitplanke ist die Technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 1112 „Instandhaltung“. Sie enthält ein Ablaufdiagramm für die sichere Instandhaltung. Der erste Schritt: eine Gefährdungsbeurteilung erstellen.

Aufsichtsperson Marc-Manuel Freitag (links) hat das Unternehmen während des Optimierungsprozesses beraten und unterstützt. © David Spaeth

Das Instandhaltungsteam aktualisiert und erweitert die Gefährdungsbeurteilung fortlaufend. Sicherheitsfachkraft Saalwirth führt aus: „Für jede Wartung existiert eine Checkliste, die die Arbeiten beschreibt und auf Gefährdungen hinweist. Akut anfallende Reparaturen und deren Gefahrenpotenziale besprechen die Beschäftigten mit den Vorgesetzten und legen geeignete Sicherheitsmaßnahmen fest.“ Das Prozedere gilt auch für externe Dienstleister.

Checkliste

Tätigkeiten in der Instandhaltung:

  • Wartung

    Verlängert die Nutzungsdauer von Maschinen.
    Beispiele sind Maschinenpflege, Reinigung, Schmieren, Auffüllen und Wechseln von Schmierstoffen.

  • Inspektion

    Abnutzung erfassen und beurteilen, um die Funktionssicherheit zu gewährleisten.
    Etwa Fehleranalyse und Messungen durchführen.

  • Instandsetzung

    Wiederherstellung des sog. Abnutzungsvorrats.
    Dazu gehören Reparaturen und Ausbesserungsmaßnahmen,Austausch von Teilen.

  • Verbesserung

    Modifikation, um Funktionssicherheit zu steigern.
    Zum Beispiel Ausbesserungsmaßnahmen, Umbau oder Ausbau der Maschine.

Welche Tätigkeiten sind besonders gefährlich?

  • Grundsätzlich können bei allen Tätigkeiten der Instandhaltung Unfälle passieren.
  • Die Störungssuche und -beseitigung zählen zu den unfallträchtigsten Arbeiten
  • Korrektive Tätigkeiten wie Instandsetzungen sind eher riskant, da sie aufwendig und mit einem Eingriff in die Maschine verbunden sind.
  • In der Regel bleibt bei vorbeugenden Tätigkeiten wie Wartungen und Inspektionen mehr Zeit für die Planungen. Das erhöht die Arbeitssicherheit

Ursachen für Arbeitsunfälle in der Instandhaltung:

  • gefährliche Arbeitsstoffe
  • mangelnde organisatorische oder technische Vorbereitung
  • fehlende Unterweisung, Gefährdungsbeurteilung oder Arbeitspläne
  • schwierige Umgebungsbedingungen wie Hitze, Enge, Lärm
  • mangelndes Wissen über die Maschine
  • unabsichtliches Auslösen von Steuerelementen
  • Zeitdruck
  • Tätigkeiten an laufenden Maschinen
  • Improvisation
  • ausgeschaltete Schutzeinrichtungen

Klicktipp

Klicken Sie hier für Tipps und Handlungshilfen zur sicheren Instandhaltung.

Alle wirken an der Verbesserung des Arbeitsschutzes mit

Zuletzt hat sich viel im Instandhaltungsteam getan. Auch die Gesprächs- und Fehlerkultur hat sich deutlich verbessert. „Im gesamten Unternehmen, so auch bei uns, finden täglich Shopfloor-Termine statt. Das sind kurze Teamgespräche, bei denen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz feste Punkte auf der Agenda sind. Dort werden neben Beinaheunfällen auch Gefährdungen und Lösungen besprochen“, sagt Gromer. Der nächste Schritt zu noch mehr Sicherheit zeichnet sich auch schon ab: Eine vom Unternehmen entwickelte App soll die Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme einer Instandhaltung zusätzlich erleichtern.