
Arbeitssicherheit : Sicher arbeiten mit Kältemitteln
In ihrem Forschungs- und Entwicklungszentrum in Remscheid entwickelt die Vaillant Group die Heiztechnologie der Zukunft. Beschäftigte erproben innovative Wärmepumpen, vom Prototypen bis zum Seriengerät. Vor der Prüfung im Testcenter werden die Geräte mit einem Kältemittel befüllt. „Dies geschieht manuell in einer Befüllstation“, erläutert Ulrike Pötschke, die bei Vaillant als Qualitätsmanagement-Beauftragte Health & Safety im Testcenter arbeitet.
Wer eine Wärmepumpe befüllt, trägt ein Visier, Handschuhe und Sicherheitsschuhe, die auf dem ableitfähigen Boden eine elektrostatische Aufladung der Person und damit eine Funkenbildung ausschließen. Sobald die fachkundige Person eine Druckgasflasche über ein sogenanntes Schraderventil, das nach dem Prinzip des Autoreifenventils funktioniert, an den Kühlkreislauf der Wärmepumpe anschließt, aktiviert sie eine Absaugvorrichtung. Diese evakuiert den Kältemittelkreis der Wärmepumpe. Der Befüllvorgang dauert etwa zwei Stunden. Befüllt werden die Wärmepumpen mit R290, besser bekannt als Propangas. Dieses natürliche Kältemittel kann nach der Nutzungsdauer einer Wärmepumpe recycelt werden. Der Fülldruck des Kühlkreislaufs in der Wärmepumpe beläuft sich auf 9 bar. R290 wird zu Kältemitteln der Gruppe A3 gezählt, die eine niedrige Toxizität bei hoher Brennbarkeit aufweisen.
Sicher arbeiten mit Kältemitteln: Nur mit Sachkunde
„Es gibt zahlreiche verschiedene Kältemittel auf dem Markt“, sagt Philipp John, Fachreferent für Aufzüge und technische Gebäudeausstattung bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM). „Alle tragen ein R-Kürzel, für das englische ,refrigerant‘, und eine nachgestellte Nummer, die auf die chemische Zusammensetzung schließen lässt. Daraus lässt sich aber nicht erkennen, wie toxisch oder brennbar der jeweilige Stoff ist.“ Hierfür wurde eigens eine Kategorisierung in Sicherheitsgruppen vorgenommen. Generell gilt: Der Umgang mit Kältemitteln ist sachkundigem und zertifiziertem Fachpersonal vorbehalten. Es müssen eine Gefährdungsbeurteilung und eine Betriebsanweisung für die Gefahrstoffe und Tätigkeiten erstellt werden.

Gut zu wissen: Kennzeichnung und Einstufung von Chemikalien
1. Entzündbar: Produkte mit diesem Piktogramm entzünden sich leicht. Besondere Vorsicht mit dem Produkt bei Hitze, Feuer oder in der Nähe von offenen Flammen. Bei falscher Lagerung kann es sich auch selbst entzünden.
2. Giftig: Bestimmte Chemikalien können schon in kleinsten Mengen zu lebensgefährdenden Vergiftungen führen, wenn sie auf die Haut gelangen, verschluckt oder eingeatmet werden.
3. Gase unter Druck: Das GasflaschenPiktogramm weist auf unter Druck stehende Gase hin. Diese können bei falscher Lagerung und starker Erwärmung explodieren. Auch tiefgekühlt verflüssigte Gase, die Kälteverbrennungen oder -verletzungen verursachen können, werden so gekennzeichnet.
Eine ausführliche Auflistung, entsprechende Piktogramme und Regelungen für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz liefert die Gefahrstoffliste 2023 des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA).
Kältemittel sicher lagern und transportieren
Sicherheitsbeauftragte sollten darauf achten, dass die Betriebsanweisung befolgt wird und alle Beschäftigten die darin genannte persönliche Schutzausrüstung (PSA) tragen. „Auch wäre es wertvoll, wenn Sicherheitsbeauftragte bei Kältemitteln besonders auf die richtige Lagerung und den korrekten Transport achten“, ergänzt John. Kältemittel sind meist in Druckgasflaschen gelagert. Fallen diese herunter, kann insbesondere das Ventil Schaden nehmen. „Die Ventile bei Druckgasflaschen sollten gut vor mechanischen und thermischen Einflüssen geschützt werden“, sagt John. Kommt es zum Austritt von brennbarem Gas, kann eine explosionsfähige Atmosphäre auftreten. Beim Austritt von toxischen Gasen drohen Vergiftungen. „Neben narkotischen Effekten wie Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen droht bei hohen Konzentrationen in der Atemluft auch das Ersticken“, so John.
Das Tragen geeigneter PSA beim Umgang mit Kältemitteln ist sehr wichtig: „Wenn das Gas schlagartig freigesetzt wird, nimmt das Kältemittel extrem viel Wärme aus der Umgebung auf. Es kann dann zu lokalen Erfrierungen kommen“, so der Experte. Wird mit synthetischen Kältemitteln gearbeitet, etwa in Kühlhäusern oder industriellen Kälteanlagen, kommt ein weiterer Aspekt dazu: Die sogenannten F-Gase unterliegen Sicherheitsbestimmungen gemäß der Chemikalien-Klimaschutzverordnung, da von ihnen eine Gefahr für die Umwelt ausgeht.

Die Wärmepumpen bei Vaillant sind mit natürlichem, umweltfreundlichem Propangas befüllt und fallen daher nicht unter die Verordnung. Dennoch sind die Arbeitsschutzanforderungen hoch. Wer das Testcenter in Remscheid betritt, muss eine spezielle Sicherheitsunterweisung absolviert haben. Wer an Kältekreisen im Testcenter arbeitet, benötigt neben der fachlichen Eignung auch den „Kälteschein“, den Sachkundenachweis über den Umgang mit Kältemitteln. In der Serienproduktion bei Vaillant hingegen ist der Kälteschein nicht obligatorisch. Die Befüllung der Wärmepumpen erfolgt weitgehend automatisiert, in einem unbemannten, gesicherten Raum. Wie im Testcenter finden auch hier einmal jährlich persönliche Unterweisungen statt. Sie werden auf einer Softwareplattform für Arbeitssicherheit dokumentiert. Dort liegen auch die Gefährdungsbeurteilungen, die Fachleute aus dem Bereich Wärmepumpen gemeinsam mit Vorgesetzten erstellt haben.
Regelmäßige Evakuierungsübungen
In Sachen Explosionsschutz setzt der Betrieb auf Vorbeugung: „Wird ein gasdichter Verbindungsweg hergestellt, ist eine Dichtheitsprüfung mit einem Lecksuchgerät obligatorisch“, erklärt Pötschke. Zur vorbeugenden Sicherheit gehört auch ein zweifacher Luftwechsel, was bedeutet: Die Luft im Testcenter wird zweimal pro Stunde vollständig ausgetauscht. Um alle Eventualitäten auszuschließen, ist eine Gaswarnanlage installiert, die auslöst, sobald 20 Prozent der unteren Explosionsgrenze erreicht sind. In diesem Fall würde eine Hupe ertönen und ein Blitzlicht aufleuchten. Alle Personen müssten dann den Bereich sofort verlassen. Regelmäßig werden Evakuierungsübungen durchgeführt.
Auch bei der Installation von Wärmepumpen bei Kundinnen und Kunden spielen Arbeitsschutzsaspekte eine Rolle. Dabei gilt: Werden Einzelanlagen installiert, sind sie bereits mit Kältemittel befüllt, und es muss nur der Anschluss an den Heizkreis hergestellt werden. Anders ist es bei sogenannten Splitanlagen, die aus einer räumlich getrennten Innen- und einer Außeneinheit bestehen. Zwar ist der Kältekreislauf auch hier in der Regel vorbefüllt, es ist aber möglich, dass vor Ort ein weiterer Füllvorgang vonnöten ist. Den darf ausschließlich eine Fachkraft mit Sachkundenachweis über den Umgang mit Kältemitteln durchführen. Das gilt ebenso für Wartungen oder für Reparaturen an Wärmepumpen.