Arbeitssicherheit : Staubexplosionen vorbeugen, wenn Staub und Funken fliegen
In einer spanischen Aluminiumfabrik kommt es im Juni 2022 fast zu einer Katastrophe: Eine heftige Explosion setzt die gesamte Halle in Brand, in letzter Minute können sich zwei Mitarbeitende in Sicherheit bringen. Doch nicht immer gehen Staubexplosionen derart glimpflich aus, insbesondere im Metallsektor. „Gerade die Gefahr durch Metallstäube wird häufig unterschätzt“, betont Susanne Causemann, Leiterin des Bereichs Explosionsschutz am Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA). Sie kennt sich mit brennbaren Stäuben aus und schult zu diesem Thema regelmäßig Mitarbeitende betroffener Branchen.
Klicktipp
Eine DGUV-Regel erklärt, wie sich eine explosionsfähige Atmosphäre und Staubexplosionen bei der Aluminiumbearbeitung vermeiden lassen.
Je feiner, desto explosiver der Staub
Was sie dabei immer wieder feststellt: Bei Mehl- oder Holzstäuben ist es vielen Beschäftigten bewusst, dass diese brennbar und explosionsfähig sein können. „Ein Blech hingegen brennt ja nun mal nicht – der beim Prozess freigesetzte Staub kann jedoch je nach Art des Metalls und Zusammensetzung brennbar und explosionsfähig sein, wenn der Staub fein genug ist und auf eine Zündquelle trifft“, so Causemann. Dies trifft besonders auf Leichtmetalle wie Aluminium und Magnesium zu, aber auch auf normalen Stahl.
Das Risiko ist umso größer, je feinkörniger der Metallstaub ist: Je mehr Staubkörner, desto größer ist die brennbare Oberfläche und entsprechend heftiger verlaufen Verbrennungsreaktionen. Umgekehrt kann grobkörniger Staub nicht explosionsfähig sein, weil die brennbare Oberfläche zu klein ist. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Faktoren, die die Brenn- und Explosionseigenschaften von Stäuben beeinflussen. Deshalb ist es ratsam, die Eigenschaften der jeweiligen Staubart individuell zu ermitteln.
Staubexplosion in Maschine kann verheerend sein
Ein dramatisches Beispiel, das Susanne Causemann oft in ihren Schulungen erzählt, ereignete sich vor einigen Jahren in einer Aluminiumschleiferei. Dort wurde der beim Schleifvorgang entstandene Staub von einer Absauganlage entfernt. Diese war jedoch offenbar falsch konzipiert und nicht instand gehalten, sodass eine locker sitzende Abluftklappe während des Schleifens in den Ventilator fiel. Durch das Aufeinandertreffen von Klappe und Ventilator-Rotoren entstanden Funken, die den abgesaugten Aluminiumstaub zur Explosion brachten.
In den Absaugleitungen befand sich zudem aufgrund des schlechten Zustandes der Anlage abgelagerter Aluminiumstaub. Dieser wurde aufgewirbelt und ebenfalls entzündet. Es kam zur Explosion, deren Druckwelle und Feuerball sich in wenigen Millisekunden durch die gesamte Anlage ausbreiteten und alle acht im Schleifraum tätigen Personen erfasste. Sechs von ihnen starben noch am Unfallort, zwei erlagen in den folgenden Tagen ihren schweren Brandverletzungen. Alle Anlagen im Schleifraum wurden zerstört.
Gut zu Wissen
So entsteht eine Staubexplosion:
GESTIS-STAUB-EX-Datenbank hilft Betrieben bei der Gefährdungsbeurteilung
Der geschilderte Fall zeigt, welche enormen Folgen es haben kann, wenn Brenn- und Explosionsgefahren nicht in der Gefährdungsbeurteilung eines Arbeitsplatzes berücksichtigt werden. Das IFA bietet mit der GESTIS-STAUB-EX-Datenbank Betrieben eine erste Informationsquelle. Hier sind zu verschiedenen Stoffen und Prozessen die im IFA-Labor ermittelten Brenn- und Explosionskenngrößen hinterlegt. Verantwortliche können anhand der Datenbank herausfinden, ob die bei ihnen vorkommenden Stäube typischerweise explosionsfähig sind.
Vermerkt sind in der Tabelle Kenngrößen wie die Mindestzündenergie, die ausreicht, um den untersuchten Staub als Staubwolke zu entzünden. Oder auch die Mindestzündtemperatur – also wie warm eine Oberfläche werden darf, ohne dass sich der Staub in der Anlage entzündet. „Wohlgemerkt sind das keine festen Grenzwerte, nach denen sich ein Betrieb richten kann“, betont Causemann. Handelt es sich um besonders gefährliche Stäube, müssen Fachleute im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ein Explosionsschutzkonzept erarbeiten. Für eine genauere Untersuchung der entstehenden Stäube können sich Betriebe an ihre jeweilige Berufsgenossenschaft wenden. Die Aufsichtsperson kann dann erste Hinweise geben, worauf zu achten ist.
Individuelles Schutzkonzept gegen Staubexplosionen erstellen
„Wenn es um brennbare Stäube geht, sollte ein Betrieb immer fachliche Expertise einholen“, sagt Causemann. Hierfür bietet die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) eine Liste an Explosionsschutzfachleuten. Gemeinsam mit dem Betrieb erarbeiten die Fachleute dann ein passendes Konzept. Dazu gehöre die Auswahl der richtigen Absauganlagen und Filtersysteme. Die Expertin empfiehlt Unternehmen zudem, in den Dialog mit den Anlagenherstellern zu treten, weil sowohl die Eigenschaften des Staubes (Betreiberwissen) als auch die Eigenschaften der Anlage (Herstellerwissen) mögliche Explosionsgefährdungen beeinflussen. Etwa wie wahrscheinlich es ist, dass eine explosionsfähige Atmosphäre auftritt, und wie lange diese vorliegt.
Instandhaltung nie vernachlässigen
Im geschilderten Fall der Aluminiumschleiferei etwa wären regelmäßige Prüfungen und die Instandhaltung der Arbeitsmittel essenziell gewesen. Außerdem hätten die Rohrleitungen der Absauganlage mit genau abgestimmten Entkopplungssystemen und die Anlage mit einer Druckentlastung ausgestattet sein müssen. „Der Druck hätte dann entweichen und die Explosion nicht in den Arbeitsraum vordringen können“, erklärt Causemann.
Grundsätzlich sollten Verantwortliche bei der Gestaltung von Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen darauf achten, nach dem STOP-Prinzip mögliche Gefahren durch brennbare Stäube zu vermeiden. Die Schutzmaßnahmen ergeben sich ebenfalls aus der Gefährdungsbeurteilung. Bei der Umsetzung müssen Führungskräfte dabei Substitution und technische Maßnahmen gegenüber organisatorischen Maßnahmen bevorzugen. Personenbezogene Schutzmaßnahmen sind dann umzusetzen, wenn alle anderen Maßnahmen nicht genügend greifen.
Checkliste
Gefahren durch Metallstäube vermeiden und Staubexplosionen verhindern:
Substitution
- Zum Beispiel brennbare durch nicht brennbare Materialien und feine Stäube durch grobkörnigeres Granulat ersetzen
- Wenn möglich, das Bearbeitungsverfahren grundsätzlich auf staubärmere Metalle umstellen
Technisch
- Zum Beispiel geeignete Absauganlagen, um Stäube an der Entstehungsstelle zu erfassen
- Auf technisch dichte Anlagen achten und diese regelmäßig prüfen lassen (Prüffristen beachten)
- Gründliche Raumlüftung, ergänzend zur Absauganlage, schützt vor schädlichen Staubpartikeln
Organisatorisch
- Zum Beispiel Arbeitsräume regelmäßig und gründlich reinigen, um Staubablagerungen sofort zu entfernen
- Rauch- und Essverbot in allen Arbeitsbereichen
- Regelmäßige Unterweisung der Beschäftigten
Personenbezogen
- Zum Beispiel bei staubintensiven Tätigkeiten Atemschutzmaske tragen
Das können Sicherheitsbeauftragte tun, um Staubexplosionen zu vermeiden
Sicherheitsbeauftragte können Führungskräfte bei der Gefährdungsbeurteilung unterstützen, die festgelegten Schutzmaßnahmen im Blick behalten und Risiken direkt an die Beschäftigten kommunizieren. Rauchverbote etwa müssen streng eingehalten werden. Darüber hinaus sei ein rigoros einzuhaltender Reinigungsplan unabdingbar, sagt Causemann: „Staubablagerungen müssen sofort beseitigt werden, sodass eine explosionsfähige Menge gar nicht erst zusammenkommt. Beschäftigte brauchen geeignete Reinigungsgeräte, wie etwa explosionsgeschützte Staubsauger.“
Auf keinen Fall sollte trocken gekehrt oder gar Druckluft eingesetzt werden, weil sonst brennbarer Staub aufgewirbelt wird. Unabhängig von ihrer Position im Betrieb gilt: Alle Beschäftigten sollten die Risiken von brennbaren Stäuben kennen.