
Arbeitssicherheit : „Vielfalt auch bei Schutzmaßnahmen berücksichtigen“
Herr Belz, warum sollten Betriebe Diversität berücksichtigen, wenn sie den Arbeitsschutz stärken wollen?
Grundsätzlich gilt es, Diskriminierung zu vermeiden. Aber es geht um viel mehr. Etwa darum, die unterschiedlichen Fähigkeiten zu berücksichtigen. Oder um Barrierefreiheit: Was nützt mir die schönste Arbeitsschutzkennzeichnung, wenn blinde Beschäftigte diese nicht erkennen können? Diese und weitere wichtige Faktoren müssen Betriebe im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen, um Risiken zu reduzieren.

Welche Risiken gibt es, wenn Betriebe das Thema Vielfalt im Team vernachlässigen?
Hier nenne ich immer zuerst das Thema Sicherheit. Ein Beispiel: Es gab den Fall einer ausländischen Beschäftigten, die einen schweren Arbeitsunfall hatte. Sie war auf deutsch unterwiesen worden, hatte Inhalte nicht verstanden und wollte durch Nachfragen nicht „unangenehm auffallen“. Diskriminierung ist zudem psychisch belastend und kann zu negativen Beanspruchungsfolgen führen. Grundsätzlich gilt: Beschäftigte sollten sich wohlfühlen, um ihrer Arbeit nachgehen zu können und zu wollen. Somit profitieren auch Arbeitgebende, denn herrscht ein gutes Sozialklima, sind Beschäftigte motiviert, Leistung zu erbringen.
Gibt es Schutzmaßnahmen, die sich rund um das Thema Vielfalt als besonders wirksam erwiesen haben?
Die Maßnahmen müssen immer zum Betrieb passen und mithilfe der Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden. Wichtig ist, zu prüfen, ob die Maßnahmen auch bei allen ankommen und sie alle verstehen, etwa bei den Unterweisungen. Auch bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen müssen Vielfaltsfaktoren berücksichtigt werden. Wurde festgelegt, dass Beschäftigte eine Absturzsicherung tragen müssen, muss sichergestellt sein, dass diese auch allen passt – kleineren und größeren, schwereren oder leichteren Beschäftigten.
Um Diskriminierung zu vermeiden, ist vor allem die Kultur im Betrieb relevant: Dazu gehören ein respektvoller und wertschätzender Umgang mit allen Beschäftigten und eine kollegiale, funktionale Zusammenarbeit. Auch sollte es selbstverständlich sein, dass interveniert wird, wenn diskriminierende und abfällige Bemerkungen fallen. Das ist bereits Teil der betrieblichen Gewaltprävention. Mit einer guten Gefährdungsbeurteilung und Präventionskultur habe ich schon viel getan.
Klicktipp
Weitere Infos und Impulse auf der Themenseite „Vielfalt in der Arbeitswelt – Diversity“ der DGUV.
Wie können sich Sicherheitsbeauftragte einbringen und sichere Zusammenarbeit in diversen Teams stärken?
Sicherheitsbeauftragte können sie zum Beispiel bei der Notfallprävention darauf achten, dass im Falle einer Evakuierung schutzbedürftige Personen unterstützt werden. Oder dass Menschen mit einer Sehbehinderung gut mitarbeiten können. Hier gibt es ganz viele Beispiele für den Arbeitsalltag. Im Optimalfall sind auch die Sicherheitsbeauftragten divers. Dadurch repräsentieren auch sie Vielfalt und schaffen ein Bewusstsein für alle Gruppen im Betrieb. Grundsätzlich sollte jeder Mensch für Respekt einstehen und dafür sensibilisiert sein, dass etwa bestimmte Sätze Menschen diskreditieren und klarstellen: So wollen wir nicht sein. Wichtig ist, dass auch die Unternehmensleitung dahintersteht.
Das Thema Diversität ist teilweise sehr aufgeladen und mit Vorurteilen behaftet. Ist die besagte Haltung von Unternehmen umso wichtiger – auch, um Fachkräfte zu halten?
Arbeitgebende brauchen heute mehr denn je die gesamte Belegschaft. Gute Mitarbeitende sind eine knappe Ressource. Mit den Menschen, die ich im Betrieb habe, muss ich gut und wertschätzend zusammenarbeiten. Mithilfe der Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung kann ich rausfinden, was Beschäftigte am meisten belastet und welche Maßnahmen den größten Effekt haben. Wenn sich etwa mehrere Beschäftigte aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft ausgegrenzt fühlen, besteht hier Handlungsbedarf.
Wer kann Betriebe bei dem Thema unterstützen?
Wenn ich unterschiedlichen Personengruppen möglichst umfassend gerecht werden will, ist ein Diversitätsmanagement sinnvoll. Ansonsten reicht es, wenn Verantwortliche sich Inspiration zum Thema holen – etwa auf der Themen-Website „Vielfalt in der Arbeitswelt – Diversity“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Das Modell der Vielfalt der Charta der Vielfalt öffnet den Blick für die Dimensionen des Begriffs.