Gesundheitsschutz : Mit Substitution Krebs vorbeugen
Durch Gefahrstoffe am Arbeitsplatz können Beschäftigte erkranken – in sehr gravierenden Fällen gar an Krebs, beispielsweise Lungenkrebs. Davor müssen Unternehmen ihre Belegschaft schützen. Der Schutz vor krebserzeugenden Gefahrstoffen spielt etwa in der Galvanik eine große Rolle.
Der Begriff „Galvanisieren“ fasst alle Verfahren zum elektrochemischen Abscheiden von Metallen auf metallische Werkstücke mithilfe elektrisch leitender Flüssigkeiten zusammen. Dafür werden Bauteile in eine Flüssigkeit getaucht und unter Strom gesetzt. In der Flüssigkeit wiederum befinden sich etwa gelöste Chrom-Ionen. Sie wandern zum Bauteil und scheiden sich als feste, glänzende Metallschicht ab. Diese Chrombeschichtung schützt das darunterliegende Material vor Verschleiß und Korrosion.
Chrom(VI)-Verbindungen sind krebserzeugend
Chrom in dieser elementaren Form ist unbedenklich. Die in den Elektrolyten gelösten Chrom(VI)-Verbindungen sind hingegen krebserzeugend. Das Problem: Beim Galvanisieren entsteht Wasserstoff, der in kleinen Bläschen an die Oberfläche aufsteigt. Die Bläschen durchdringen sprudelnd die Oberfläche und reißen dabei die Elektrolytflüssigkeit mitsamt der Chrom(VI)-Verbindungen mit sich.
Sie gelangen so als Chrom(VI)-Aerosole in die Luft. Ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko für die Beschäftigten, die an den Becken arbeiten und den Gefahrstoff einatmen können – sofern Unternehmen keine notwendigen Schutzmaßnahmen ergreifen.
Krebserzeugender Gefahrstoff greift Lunge, Atemwege und Haut an
Dr. Andreas Voßberg von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) ist Fachreferent für Galvanotechnik und beschäftigt sich intensiv mit Chrom(VI)-Verbindungen an Arbeitsplätzen in der Galvanik.
Er sagt: „Beim Verchromen von Werkstücken in der Galvanotechnik arbeiten die Unternehmen noch häufig mit Chrom(VI)-Verbindungen. Aufgrund ihrer Struktur dringen sie in menschliche Zellen ein und können dort Krebs auslösen.“
„Weil die Chrom(VI)-Verbindungen in der Regel über die Atmung in den Körper gelangen, sind vor allem die Lunge und die oberen Atemwege wie Kehlkopf und Nasenschleimhaut gefährdet. Kommt es zum Kontakt mit der Haut, kann Chrom dort zudem Ekzeme verursachen“, sagt PD Dr. med. Wolfgang Zschiesche vom Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA).
Er fügt hinzu: „Allergische Kontaktekzeme, Atemwegserkrankungen sowie Lungenkarzinome können als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn Personen am Arbeitsplatz mit Chrom(VI)-Verbindungen gearbeitet haben.“
Besser als technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen ist die Substitution
Galvanikbetriebe müssen deshalb verhindern, dass Beschäftigte mit dem krebserzeugenden Gefahrstoff in Berührung kommen oder ihn einatmen. Wichtige Bausteine dafür sind unter anderem lufttechnische Maßnahmen, die den Gefahrstoff direkt an der Entstehungsstelle erfassen und absaugen, sowie persönliche Schutzausrüstung.
Noch besser ist es, den krebserzeugenden Gefahrstoff vollständig vom Arbeitsplatz zu entfernen. Das gelingt durch die sogenannte Substitution.
Krebserzeugende Gefahrstoffe substituieren
Um geeignete Schutzmaßnahmen gegen Risiken bei der Arbeit zu finden, orientieren sich Unternehmen grundsätzlich am STOP-Prinzip. Es teilt Schutzmaßnahmen in vier Kategorien ein (Substitution, technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen) und legt fest, in welcher Rangfolge sie zu ergreifen sind.
Am wirkungsvollsten ist demnach die Substitution. Damit ist der Ersatz von Gefahrstoffen oder Verfahren durch weniger gefährliche Stoffe oder Verfahren gemeint. Bei krebserzeugenden Gefahrstoffen bedeutet das: Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet zu prüfen, ob es Alternativen gibt.
Anregung
Sicherheitsbeauftragte können unterstützen, indem sie die genannten Plattformen und Tools im Unternehmen bekannt machen und dazu anregen, sich mit anderen Unternehmen auszutauschen.
Unternehmen sollten sich mit anderen vernetzen
Wie Unternehmen einen geeigneten Ersatzstoff finden, weiß Ina Krieger. Sie ist Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) und erläutert: „Einen krebserzeugenden Gefahrstoff ersetzen zu wollen, ist eine großartige Chance, weil Unternehmen so die Gesundheit ihrer Belegschaft bestmöglich schützen können. Der Substitutionsprozess ist jedoch herausfordernd.“
Gesundheitliche Aspekte müssen stets an erster Stelle stehen. Gleichwohl sind sich Unternehmen der wirtschaftlichen Tragweite bewusst. „Wenn ein Stoff ausgetauscht wird, kann das bedeuten, dass sich das gesamte Produktionsverfahren ändert. Manchmal müssten Unternehmen auch Maschinen austauschen“, erklärt Krieger. Auf dem Weg zu einer sicheren und praktikablen Lösung ist es daher unerlässlich, ein ausführliches Profil des zu ersetzenden Gefahrstoffes zu erstellen sowie Substitutionskriterien auszuarbeiten.
Substitution: Der Weg zum besten Schutz
- Gefahrstoff analysieren und alle Merkmale notieren: Was macht den unerwünschten Stoff gefährlich? Welche positiven Eigenschaften zeichnen ihn aus? Welche Änderungen könnte der Austausch des Gefahrstoffes nach sich ziehen?
- Ersatzstoffe suchen und vergleichen: Bei der Suche nach geeigneten Ersatzstoffen können zum Beispiel Hersteller, Behörden, Verbände sowie Berufsgenossenschaften und Unfallkassen helfen. Mögliche Ersatzstoffe bewerten und vergleichen: Beseitigen sie alle oder nur einige Risiken? Wie hoch sind die Kosten und wie verhalten sie sich zum erwarteten Nutzen? Den sichersten und praktikabelsten Ersatzstoff wählen.
- Ersatzstoff testen: Den möglichen Ersatzstoff in einem kleinen Umfang testen. Während der Testphase analysieren: Welche Risiken tauchen (weiterhin) auf? Wie wirkt sich die Substitution auf Produktivität, Qualität, Unternehmen und Umwelt aus? Dazu auch Beschäftigte befragen.
- Substitution umsetzen: Die Substitution vollumfänglich umsetzen. Dabei alle Betroffenen informieren und gegebenenfalls Produkt-Zertifizierungsverfahren anpassen. Ideen zur Verbesserung berücksichtigen.
Bei anderen Betrieben erfolgreiche Substitutionen abgucken
Dabei kann es hilfreich sein, bei anderen Unternehmen der Branche zu schauen, ob sie den betreffenden Gefahrstoff schon erfolgreich substituieren konnten. „Unternehmen sollen ihr Wissen teilen und sich bei der Substitution gegenseitig unterstützen. Das IFA fördert dies gezielt mit Austausch-Formaten im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie, kurz GDA.“
Ein Eckpfeiler dabei ist die im Aufbau befindliche Best-Practice-Datenbank, die im GDA-Portal zu finden sein wird. Hier werden eingereichte Best-Practices und Praxishilfen für den Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen zur Nachahmung bereitgestellt.
Klicktipps
Für jedes Anliegen das passende Hilfsmittel:
SUBSPORTplus führt schrittweise durch die Substitutionsprüfung und nennt erfolgreiche Substitutionen
GESTIS-Stoffdatenbank informiert über Stoffeigenschaften und sicheren Umgang mit Gefahrstoffen
Das GHS-Spaltenmodell unterstützt bei der Suche und Beurteilung von Ersatzstoffen
Die DGUV Regel „Branche Galvanik“ legt dar, wie Vorschriften anzuwenden sind
Substitution in der Galvanikbranche nicht flächendeckend möglich
Dass der Weg zur erfolgreichen Substitution eines Gefahrstoffes steinig sein kann, zeigt die Galvanikbranche.
Voßberg erklärt: „Ein Blick in die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 561 verrät, dass sich die Substitutionsmöglichkeiten je nach Verfahren und Anwendung stark unterscheiden. So können mittlerweile in einigen Verfahren die krebserzeugenden Chrom(VI)-Verbindungen durch weniger gefährliche, nicht krebserzeugende Chrom(III)-Verbindungen in den Elektrolyten ersetzt werden, aber nicht flächendeckend. Das heißt, nicht bei allen galvanischen Verfahren zum Verchromen von Werkstückoberflächen.“
Beim Hartverchromen beispielsweise können Unternehmen den krebserzeugenden Gefahrstoff bislang nicht substituieren. Wissenschaft und Wirtschaft sind deshalb weiterhin gefordert, neue Lösungen zu entwickeln.
STOP-Prinzip: Nach Substitution folgen andere Schutzmaßnahmen
Bis dahin müssen Unternehmen, die Chrom(VI)-Verbindungen noch nicht substituieren können, gemäß dem STOP-Prinzip andere Schutzmaßnahmen ergreifen: durch lufttechnische Maßnahmen Konzentrationen von Chrom(VI)-Verbindungen in der Atemluft der Beschäftigten auf ein Minimum absenken sowie durch organisatorische und personenbezogene Maßnahmen den Kontakt mit dem krebserzeugenden Gefahrstoff verhindern.