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„Unsicheres Verhalten auf Flachdächern entsteht aus Unwissen“
Noch besser als persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz sind Substitution, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen. © David Spaeth

Arbeitssicherheit : „Unsicheres Verhalten auf Flachdächern entsteht aus Unwissen“

Auf Flachdächer verhalten sich Beschäftigte oft zu leichtsinnig. Was Unternehmen dagegen tun können, erklärt Harald Dippe im Interview.

Präventionsexperte Harald Dippe beobachtet, dass Flachdächer Beschäftigte zuweilen zu leichtsinnigem Verhalten verleiten. Der Grund: Ihnen fehlt das Wissen über die spezifischen Risiken auf Flachdächern und sie verkennen die Gefahr. Was Unternehmen dagegen tun können, erklärt Dippe im Interview.

Harald Dippe, Experte für hoch gelegene Arbeitsplätze und Verkehrswege im DGUV-Sachgebiet Hochbau © Privat

Herr Dippe, schon aus einer Höhe von zwei Metern kann ein Sturz tödlich enden. Warum kommt es dennoch vor, dass Betriebe die Gefahr nicht ernst nehmen?

Dafür gibt es viele Gründe. Wir beobachten zum Beispiel immer wieder, dass sich Beschäftigte vor allem auf Flachdächern sehr sorglos verhalten. Etwa ohne Scheu ganz nah an die Kante herantreten. Auf den ersten Blick wirkt ein Flachdach vielleicht auch harmloser als ein Steildach, weil die Absturzkante ganz klar erkennbar scheint. Aber Flachdächer suggerieren eine falsche Sicherheit. Sie sind tückisch.

Welche Gefahren gibt es denn?

Auf dem Flachdach denken viele: „Solange ich von der Kante wegbleibe, bin ich sicher.“ Diese Sicherheit ist aber trügerisch. Denn manche Bereiche, die so aussehen, als könne man sie betreten, sind nicht durchtrittsicher. Das können Lichtkuppeln sein oder verglaste Dachflächen, sogenannte Lichtbänder. Auch aus der Sorglosigkeit selbst können Gefahren entstehen. Beschäftigte verlieren dann den Respekt vor der Höhe und werden übermütig: laufen vielleicht rückwärts zu absturzgefährdeten Bereichen oder setzen sich auf eine vermeintlich sichere Lichtkuppel. Rutschen sie dann aus oder brechen durch, kann das fatale Folgen haben.

Wie beugen Unternehmen solchen Unfällen vor?

Unsicheres Verhalten entsteht oft aus Unwissen. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen, deren Beschäftigte auf dem Dach arbeiten, ihre Mitarbeitenden ausreichend schulen. Beschäftigte müssen regelmäßig für die Gefahren auf Dächern sensibilisiert und in der Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) unterwiesen werden. Noch wichtiger als PSAgA sind aber gemäß des STOP-Prinzips die Substitution sowie technische Maßnahmen.

Absturzsicherung nach dem STOP-Prinzip:

Substitution: 
Tätigkeiten in der Höhe ganz oder teilweise vermeiden und ersetzen durch:

  • Verlängerungen, zum Beispiel Teleskopstangen, zum Teil mit Kamera
  • Drohnen oder Roboter
  • Vormontage am Boden

Technische Schutzmaßnahmen:

  • Absturzsicherung: Geländer, Abdeckungen
Hubarbeitsbühnen
  • Fangnetz, Fanggerüst
  • (Baustellen-)Aufzüge

Organisatorische Schutzmaßnahmen:

  • Theoretische und praktische Unterweisung
  • Betretungsverbot
  • Abgrenzung, Absperrung

Personenbezogene Schutzmaßnahmen:

  • PSAgA: Rückhalte- oder 
Auffangsystem

Wie beugen Unternehmen solchen Unfällen vor? Können Sie dafür Beispiele nennen?

Wir haben heutzutage viele Möglichkeiten. Wenn Beschäftigte ein Dach bewerten möchten – zum Beispiel prüfen, ob die Dachrinne verstopft ist oder nicht –, können sie dafür ­Kameras an Teleskopstangen verwenden. Damit sparen sie sich den Gang aufs Dach. Selbst zum Säubern gibt es mittlerweile Laubsauger an Teleskop­stangen, mit denen Beschäftigte aus einem sicheren Bereich heraus die Dachrinne reinigen können. Als technische Maßnahme sind Geländer empfehlenswert. Sie sind der PSAgA nach dem STOP-Prinzip in jedem Fall vorzuziehen.