
Gesundheitsschutz : Gedämpfter Pegel: Lärm reduzieren
Ein modernes Gebäude in einem Gewerbegebiet in Weilheim an der Teck: Hier, weniger als 50 Kilometer von Stuttgart entfernt, entstehen dünne, präzise gefertigte Blechteile für verschiedene Branchen – darunter Frontplatten für die Elektroindustrie, Verkleidungen für Maschinenbauer oder Steuerungsgehäuse für Unternehmen aus der Luftfahrt. Die meisten der Bleche aus Stahl oder Aluminium müssen für die Fertigung durch die Stanzerei – eine laute Angelegenheit, wenn die Stanzmaschinen das Blech bearbeiten. Doch die Häußler Blechverarbeitung GmbH fand Wege, den Lärm zu reduzieren. Obwohl die Maschine läuft, ist in der Fertigungshalle des schwäbischen Betriebs meist eine Unterhaltung in normaler Lautstärke möglich.
Lärmexposition ermitteln und Schutzmaßnahmen ableiten
Das war in den Räumlichkeiten, in denen die Firma bis April 2022 untergebracht war, noch ganz anders. „Dazwischen liegen Welten. Am alten Standort konnten wir uns nur anschreien“, sagt Uwe Frosch. Der Konstruktionsmechaniker arbeitet häufig an einem Werktisch neben der Stanzmaschine, der lautesten Lärmquelle im Raum. Er prüft dort zum Beispiel die Stempel. Sind die Kanten der schrägen Spitze abgenutzt, tauscht er die Stanzstempel aus. Martin Häußler, einer der Geschäftsführer, zeigt mit einer Orientierungsmessung, dass die Grenze von 80 Dezibel bei laufender Maschine nur selten überschritten wird.
Ab einem Dauerschallpegel von 80 dB(A) und für Spitzenschallpegel ab einem Wert von 135 dB(C) gilt die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV). Um Hörminderungen und Hörschäden zu verhindern, schreibt die Verordnung unter anderem ab 85 dB(A) vor, Lärmbereiche zu kennzeichnen, Gehörschutz zu tragen und ein Lärmminderungsprogramm aufzustellen. Die Verordnung, aber auch das Arbeitsschutzgesetz schreiben zudem vor, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und dabei die auftretenden Lärmexpositionen am Arbeitsplatz fachkundig zu ermitteln und zu bewerten. Anschließend gilt es, passende Präventionsmaßnahmen abzuleiten und durchzuführen. Am effektivsten sind dabei technische Lösungen, die jedoch für Betriebe sehr aufwendig werden können.

So verhielt es sich am alten Standort des Blechverarbeitungsbetriebs. „Selbst große Investitionen, wie zum Beispiel in Schallschutzpaneele, hätten die Lärmbelastung wohl nur um zwei bis drei Dezibel verringert“, so Michael Häußler, der die Geschäfte gemeinsam mit seinem Bruder führt. Damit wäre nicht viel gewonnen gewesen. „Belastungen von 100 dB(A) über einen längeren Zeitraum waren keine Seltenheit“, erinnert sich Häußler. Bei laufender Stanzmaschine war es daher Pflicht, einen Gehörschutz mit höchster Dämmleistung zu tragen. Eine Folge davon war, dass sich die Beschäftigten abgekapselt von ihrer Umgebung fühlten und sich nur wenig mit anderen austauschen konnten. Seit dem Umzug ist das nicht mehr so: Im Neubau müssen Frosch und die anderen sieben Beschäftigten des Unternehmens ihren Gehörschutz nicht mehr so häufig aufsetzen und brauchen dann nur noch einen mit mittlerer Dämmleistung.
Die Reduzierung der Lärmbelastung war ein wesentlicher Teil des Neubaukonzeptes, das die Geschäftsführer verfolgten. „Wir kennen aus eigener Erfahrung, wie es ist, Stunden am Arbeitsplatz Lärm ausgesetzt zu sein. Unser Ziel war daher, die Belastung in der täglichen Arbeit zu reduzieren“, sagt Martin Häußler. Dazu nutzen sie die Möglichkeit, unterschiedliche technische Lösungen zu kombinieren
Maßnahmen zur Lärmmindung
- Lärm zu vermeiden, ist die wirkungsvollste Methode, Lärm zu reduzieren. Das gelingt, indem alternative, leisere Arbeitsverfahren oder Arbeitsmittel (etwa andere Maschinen) eingesetzt werden.
- Den Lärm auf dem Übertragungsweg zu mindern, ist die zweitbeste Methode. Durch Dämmung und Dämpfung wird verhindert, dass sich der Schall ausbreitet. Das kann an einer Maschine, im Raum oder im gesamten Gebäude erfolgen.
- Die Schallbelastung lässt sich auch organisatorisch reduzieren, zum Beispiel dadurch, dass Beschäftigte dem Lärm nur begrenzt ausgesetzt sind oder lärmintensive Arbeiten erfolgen, wenn weniger Menschen vor Ort sind.
- Wenn die Maßnahmen nicht ausreichen, kommt persönliche Schutzausrüstung (PSA) wie Gehörschutz zum Einsatz.
Detailliertere Ausführungen liefert die DGUV Information Lärm am Arbeitsplatz.
Absorbierende Wände und Deckenelemente
So wurde das Gebäude in Massivbauweise errichtet. Die Fertigung im Gebäudeinneren ist in vier Bereiche unterteilt, die durch Trennwände voneinander abgegrenzt werden. In der Stanzerei und Schweißerei erfolgen die Arbeiten mit der höchsten Lärmbelastung. In der benachbarten Biegewerkstatt und dem Lager kommt dank der Trennwände aber nur ein Bruchteil dieses Lärms an, denn die Trennwände absorbieren einen Großteil des Schalls. Sie bestehen aus Blechkassetten mit Lochblech. Innen sind sie mit Mineralwolle gefüllt. Diese schluckt die Schallwellen, die durch die Löcher kommen. Auch bei den Decken handelt es sich um schallabsorbierende Decken. Zusammen sorgt die Konstruktion dafür, dass der Lärm deutlich gedämpft wird. „So können wir die Lärmbelastung eingrenzen“, erläutert Martin Häußler.

Die beste Lärmschutzmaßnahme aber ist es, zu verhindern, dass überhaupt eine hohe Lärmbelastung entsteht. Mit dem Neubau verbanden die Geschäftsführer, auch neue Maschinen anzuschaffen. „Wie viel Lärm diese erzeugen, war bei der Auswahl ein wichtiges Entscheidungskriterium für uns“, sagt Martin Häußler. Die neue Stanzmaschine arbeitet mit einem mechanischen Stanzkopf. „Anders als bei einem hydraulisch angetriebenen Stanzkopf ist das Geräusch bei einem mechanischen deutlich leiser“, so der gelernte Blechschlosser. Zur Lärmreduzierung trägt auch ein Bürstentisch bei: Wenn ein Blech über die Bürsten gleitet, ist dies leiser als bei einem Kugelrollentisch mit seinen Metallrollen. Außerdem steht die Maschine auf Luftkissen, was die Vibrationen verringert, die sich sonst über den Boden im gesamten Gebäude verbreiten würden.

Laute Arbeiten so planen, dass wenig Beschäftigte vor Ort sind
Doch auch die neue Stanzmaschine kann sehr laut werden. „Wenn Stücke mit einer verhältnismäßig großen Fläche ausgestanzt werden, ist die Lärmbelastung hoch“, sagt Martin Häußler. Er zeigt als Beispiel auf Scheiben mit einem Durchmesser von etwa drei Zentimetern: „Der Lärm, wenn diese Scheiben über einen längeren Zeitraum ausgestanzt werden, macht richtig aggressiv.“ Der Betrieb fand für solche lärmintensiven Fertigungen eine organisatorische Lösung. Da die Stanzmaschine vollautomatisch läuft, verlegten die Häußlers solche lauten Arbeiten in die Zeit nach Feierabend, wenn die Mitarbeitenden nach Hause gegangen sind. Auf diese Weise gelingt es, auch negative Auswirkungen auf die Psyche der Beschäftigten zu verringern.
So können sich Sicherheitsbeauftragte einbringen
- Auf die Gefahren durch Lärm hinweisen: Schäden am Gehör machen sich nicht sofort bemerkbar. Doch wenn sie einmal aufgetreten sind, sind sie nicht mehr umkehrbar. Daran sollten Sicherheitsbeauftragte (Sibe) ihre Kolleginnen und Kollegen erinnern.
- Bei Unterweisungen unterstützen: Sibe sollten ihre Vorgesetzten auf geeignete Medien und Präsentationen hinweisen. Zum Thema „Lärmschwerhörigkeit“ können etwa Musikbeispiele vorgespielt werden, bei denen für Menschen mit Hörschädigung nicht alle Töne zu hören sind.
- Beschäftigte an Gehörschutz erinnern: Tragen Beschäftigte ihren Gehörschutz nicht, sollten Sibe sie daran erinnern, ihn zu verwenden. Sie selbst sollten den Gehörschutz als Vorbild immer tragen, wenn es angezeigt ist.
- Messungen vor Ort durchführen: Erstellt der Betrieb ein Lärmkataster, um die Belastung zu ermitteln, können Sibe in ihrem Zuständigkeitsbereich bei
der Erstellung helfen.
Lärm bei Schweißarbeiten wird lokal begrenzt
Ein weiterer Arbeitsbereich der Blechverarbeitung, bei dem die Lärmbelastung zeitweise hoch sein kann, ist das Schweißen. Das Pulsgeräusch kann die Schwelle von 85 Dezibel überschreiten. Ein blaues Gebotszeichen an der Trennwand zum Schweißbereich weist beim Metall verarbeitenden Betrieb daher darauf hin, Gehörschutz zu benutzen. In der Schweißerei arbeitet Martin Achatzi gerade an einer komplexen Verkleidung. Der gelernte Schlosser hat die Konstruktion selbst entworfen, die Stanzmaschine für das Projekt programmiert und schweißt nun die vorgefertigten Teile zusammen. Während er konzentriert arbeitet, ist in den angrenzenden Bereichen der Fertigung kaum etwas vom entstehenden Lärm zu hören.
„Der Betrieb setzt sich vorbildlich für die Reduzierung der Lärmbelastung ein. Das Ergebnis ist phänomenal“, sagt Gerd Bühler. Bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) ist er der zuständige Arbeitsschutzmeister und betreut den Betrieb seit dem Frühjahr 2022. Gemeinsam mit der externen Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem externen Betriebsarzt unterstützt Bühler den Betrieb in Arbeitsschutzfragen. Eine Sicherheitsbeauftragte oder einen Sicherheitsbeauftragten gibt es aufgrund der geringen Zahl von Beschäftigten nicht.
Eigene Tasche für persönliche Schutzausrüstung
Auch sonst geht das Arbeitsschutzkonzept auf: Schwere Arbeitsunfälle gab es in der Firmengeschichte nicht. Die größte Gefahr im Alltag geht von den scharfen Kanten der Bleche aus. Ein sorgfältiger Umgang mit den Blechen sowie Schnittschutzhandschuhe verhindern, dass sich die Beschäftigten verletzten. Damit die Handschuhe und andere persönliche Schutzausrüstung (PSA) immer griffbereit sind, haben alle Beschäftigten eine eigene PSA-Tasche und einen Rollwagen. Die PSA-Modelle konnten die Mitarbeitenden selbst mit aussuchen. „Wenn die PSA angenehm zu tragen ist, wird sie auch getragen“, ist sich Martin Häußler sicher.
Kulturdialoge: Prävention - Dialogkarten
Mit den Dialogkarten zum Thema Lärm können Führungskräfte und Beschäftigte über die Lärmbelastung bei der täglichen Arbeit sprechen und gemeinsam Verbesserungsideen entwickeln.
Neben der Reduzierung der Lärmbelastung gelangen dem Betrieb mit dem Neubau auch an anderer Stelle eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes. Das Raumklima ist dank des Einsatzes einer Luftwärmepumpe im Sommer kühler als draußen. „Selbst bei einer Hitzewelle bleiben die Temperaturen drinnen unter 30 Grad“, sagt Martin Häußler. Im Winter sorgt eine Fußbodenheizung für die benötigte Wärme. Der Strom für den Betrieb der Maschinen, aber auch der Heizung kommt von einer Photovoltaikanlage, deren Elemente sich über die gesamte Dachfläche verteilen. Sie liefert sogar mehr Energie, als das Unternehmen benötigt.
Doch nicht nur das Raumklima ist gut – auch das Verhältnis zwischen den Mitarbeitenden. Das dürfte einer der Gründe sein, warum es nur selten Wechsel in der Belegschaft gibt. Konstruktionsmechaniker Uwe Frosch ist bereits seit 28 Jahren im Unternehmen, Schlosser Martin Achatzi wird im Jahr 2026 auf eine 25-jährige Betriebszugehörigkeit zurückblicken können.