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Barrierefrei kommunizieren
Um allen Beschäftigten Zugang zu wichtigen Informationen zu ermög­lichen, können Symbole, visuelle oder akustische Signale helfen. © Adobe Stock

Arbeitssicherheit : Barrierefrei kommunizieren

Von barrierefreier Kommunikation am Arbeitsplatz profitieren alle. Mit einem Feuer­alarm für gehörlose Beschäftigte liefert das Technologieunternehmen Schaeffler ein gelungenes Beispiel.

Wenn bei Schaeffler der Feueralarm losgeht, dann wird es laut. Aber das Geheul der Sirene ist nicht alles: Auch die Beleuchtung verändert sich und taucht die Fertigungshallen in Flackerlicht. Zusätzlich ­vi­brieren kleine Meldeempfänger an den Arbeitshosen der sieben gehörlosen Beschäftigten.

Diesen Dreiklang aus akustischem, visuellem und haptischem Alarm hat der Automobil- und Industriezulieferer im Jahr 2020 implementiert. Das System musste sich bisher nur bei der Brandschutzübung beweisen, aber: „Für den Notfall sind wir definitiv besser organisiert als vorher“, sagt Boris Kemper, Leiter der Arbeits­sicherheit am Standort Schweinfurt.

Mit Gefährdungsbeurteilung Alarmierung bewerten

Im Brandfall zählt jede Sekunde. Bei der Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung fiel Kemper auf, dass die Alarmierung der gehörlosen Beschäftigten noch Schwachstellen aufwies. „Wir hatten bisher auf kollegiale ­Hilfe gesetzt, die vorsah, dass ausge­wählte Mitarbeitende ihre gehörlosen Kolleginnen und Kollegen bei einem Alarm informieren. Aber spätestens mit Corona und vielen Personalausfällen wurde klar, dass diese Hilfe organisatorisch nur schwer sicherzustellen ist.“

Zwei Schaeffler-Beschäftigte mit dem BGHM-Preis „Schlauer Fuchs“ © Schaeffler

Technische statt organisatorische Maßnahmen

Bei der Suche nach Lösungen wurde er bei bestehender Technologie fündig. Die Meldeempfänger waren schon bei der betrieblichen Feuerwehr in Benutzung, ihr Bestand wurde kurzerhand aufgestockt. Für das Lichtsignal programmierte Schaeffler die smarte LED-Anlage so um, dass sie bei Alarm in besagten Flackermodus schaltet. Dann folgte eine entsprechende Unterweisung für alle Beschäftigten.

Mehr Arbeitssicherheit durch barrierefreie Kommunikation: Dieses Konzept wurde auch von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) honoriert. Sie verlieh dem Unternehmen im Jahr 2021 den ­Sicherheitspreis „Schlauer Fuchs“.

Vielfalt verstehen

Dass Menschen mit und ohne Be­hinderung zusammenarbeiten, ist bei Schaeffler selbstverständlich. Und auch andere Betriebe betonen beispielsweise, Bewerbende mit schwerer Behinderung bei gleicher Qualifikation bevorzugt einzustellen. Um Vielfalt in der Arbeitswelt gezielt zu fördern, muss die ganze Dimension des Begriffs erfasst werden: „Menschen verschiedenen Alters sind ein Ausdruck von Vielfalt, unterschiedliche Geschlechter und Geschlechtsidentitäten, unterschiedliche Hautfarben, sexuelle Orientierungen, verschiedene kulturelle und soziale Hintergründe und viel mehr“, sagt Tobias Belz, Leiter des Sachgebiets Beschäftigungsfähigkeit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Gut zu wissen

Modell der Vielfalt

  • Was bedeutet Vielfalt in der Arbeitswelt, wer oder was ist gemeint? Das zeigt anschaulich das „Modell der Vielfalt“
  • Unternehmen können das Schaubild für den Einstellungsprozess und in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit nutzen

Hintergrundinformationen und Schaubild

Praxistipps und Infomaterial zur barriere­freien ­Gestaltung von Arbeitsplätzen

Barrierefreiheit umfasst auch die Kommunikation in Betrieben

Und vielfältige Teams funktionieren auch nur, wenn Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz entsprechend angepasst sind und auf Barrierefreiheit geachtet wird. Auch dieser Begriff ist komplex und meint mehr als bauliche Maßnahmen wie ­Rampen, ­Aufzüge oder breite Türen. Eine für alle verständliche Kommunikation gehört dazu.

„Nicht nur Menschen mit ­einer Schwerbehinderung können Hör- oder Sehprobleme haben. Das Alter, private Gewohnheiten, etwa häufiges Hören lauter Musik, oder körperliche Besonderheiten wie Allergien oder Stress können die Sinneswahrnehmung ebenso verändern“, sagt Belz. „Belegschaften sind und waren schon immer vielfältig. Dem muss auch die Kommunikation Rechnung tragen.“

Praxistipps für Arbeitgebende

Unterstützung bei der Umsetzung ­liefert die Initiative „Charta der Vielfalt“. Auch die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen bieten Praxistipps, unter anderem eine Checkliste der Verwaltungsberufsgenossenschaft für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen. Hier wird ganz konkret abgefragt, ob alle Personen die für sie bestimmten ­Informationen wahrnehmen können, etwa mithilfe von stark kontrastierenden Beschriftungen oder Piktogrammen. Auch für Flucht und Rettung sind Beispiele vermerkt – wie die Alarmierung für alle bei Schaeffler.

Hintergrund

Was ist die Charta der Vielfalt e. V.?

  • Die Charta der Vielfalt e. V. ist eine Initiative zur Förderung von Diversität in Unter­nehmen und Institutionen:
  • Die Initiative unterstützt ­Betriebe mit ihrem Netzwerk, Informationen und Veranstaltungen
  • Grundlage ist die Urkunde „Charta der Vielfalt“, die bereits mehr als 4.900 Organisa­tionen unterzeichnet haben
  • Die DGUV und viele Unfallversicherungsträger haben bereits unter­zeichnet

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Symbole und Grafiken bauen Sprachbarrieren ab

Barrierefreie Kommunikation reicht aber noch weiter. „Wenn Menschen mit kognitiven oder Hör­einschränkungen im Team sind, sollte in Meetings laut, deutlich und in möglichst klaren Sätzen gesprochen werden. Bei Sprachbarrieren können beispielsweise bei wichtigen Aushängen Symbole oder Grafiken die Texte zusätzlich ergänzen“, sagt Jürgen Meß, Leiter des DGUV-Sachgebiets Barrierefreie Arbeitsgestaltung. „­Entscheidend für sinnvolle Maßnahmen zu barrierefreier Kommunikation ist zunächst die Kommunikation im Team, der Austausch.“

Schwerbehindertenvertretung bei Barrierfreiheit einbinden

Doch wer ist für Fragen rund um Vielfalt und Barrierefreiheit überhaupt zuständig? In Betrieben mit mindestens fünf schwerbehinderten Beschäftigten wird eine Schwerbehindertenvertretung gewählt, die sich für deren Belange einsetzt. Auch bei Schaeffler war die Schwerbehindertenvertreterin Clarissa Wohlfart ­aktiv an Planung und Umsetzung des barrierefreien Feueralarms beteiligt.

In größeren Betrieben kann auch ein Diversity Management etabliert werden: eine zentrale Ansprech­person rund um Vielfalt und Barrierefreiheit. Insbesondere in kleineren Unternehmen sollten Arbeitgebende, Führungskräfte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit im Blick haben, dass alle Beschäftigten ihren Bedürfnissen entsprechende Bedingungen ­vorfinden.

Beschäftgte dazu ermuntern, ihre Bedürfnisse klar zu kommunizieren

Diese Bedürfnisse müssen aber erst mal klar sein, denn nicht jede Einschränkung fällt sofort auf. Und manches Problem entwickelt sich erst mit der Zeit. „Wenn Beschäftigte merken, dass sie nicht mehr so gut hören wie früher, sollten sie nicht aus Scham schweigen, sondern das Problem ansprechen“, sagt Jürgen Meß.

Hier können auch Sicherheitsbeauftragte eine wichtige Vertrauensperson sein: „Sie sind der ­direkte, kollegiale Draht. Daher fällt es Beschäftigten oft leichter, dieses sensible Thema erst mal an sie heranzutragen.“ Fällt Sicherheitsbeauftragten selbst etwas auf, gilt: „Statt vorzupreschen und zu sagen: ‚Ich weiß, was du brauchst‘, ist nachfragen besser. Etwa: ‚Ich hatte den Eindruck, als hättest du im ­Meeting nicht alles verstanden. Stimmt das? Wie können wir dir helfen?‘“ Die Infos ­können Sicherheitsbeauftragte dann im ­Arbeitsschutzausschuss (ASA) oder bei den Vorgesetzten anbringen.

Verständnis im Team für barrierefreie Kommunikation wecken

Es ist wichtig, eine Kultur offener Kommunikation zu etablieren und Unterschiede wertzuschätzen. Dafür sind Arbeitgebende und ­Vorgesetzte hauptver­antwortlich: „Sie ­müssen bei allen Beschäftigten verankern, dass ein barrierefreier Alarm, gute Akustik oder einfache Symbole ­keine ­Bevorzugung Einzelner darstellen, sondern einen Ausgleich ­eines vorhandenen Nachteils oder ­einer Einschränkung. ­Zudem profitieren von barrierefreien Arbeitsbe­dingungen alle, Unternehmen und Beschäftigte“, sagt Jürgen Meß.

Das kann auch Boris Kemper von ­Schaeffler ­unterschreiben: „Der visu­elle Feueralarm ist für alle eine doppelte Absicherung, falls doch mal jemand die Sirene nicht hört.“ Da es in diesem Fall aber vorrangig um den Arbeitsschutz der gehör­losen Mitarbeitenden ging, wurde natürlich auch ihre Meinung zum neuen Alarm-System eingeholt. Und die fällt laut Schwerbehindertenvertreterin Clarissa Wohlfart positiv aus: „Das Projekt hat ihre Eigenständigkeit und das Sicherheits­gefühl verstärkt. Das kommt natürlich gut an.“