Verkehrssicherheit : Bloß nichts übersehen beim Linksabbiegen
Eine große Kreuzung in einer beliebigen Stadt. Während auf der mehrspurigen Straße der Verkehr rollt, stehen sich auf der Kreuzung mehrere Fahrzeuge gegenüber. Neben Autos auch ein großer Lkw. Sie alle wollen links abbiegen – und müssen somit eine alltägliche wie herausfordernde Situation bewältigen.
Haben sich alle richtig eingeordnet? Wie gut ist die Sicht, wie schnell der Gegenverkehr? Kreuzen Personen die Fahrbahn? Linksabbiegen fordert einen Rundumblick und birgt zahlreiche Risiken.
Unfälle beim Linksabbiegen doppelt so häufig wie beim Rechtsabbiegen
Im Jahr 2021 wurden mehr als doppelt so viele Menschen bei Unfällen durch Linksabbiegefehler verletzt oder getötet wie durch Rechtsabbiegefehler. In Zahlen: 17.851 Linksabbiegefehler stehen 8.634 Rechtsabbiegefehlern gegenüber, erläutert die Kampagne „Runter vom Gas“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR). Besonders gefährdet sind Menschen auf dem Rad oder zu Fuß. 2021 starben 106 Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer durch Abbiegefehler nach links. Mehr als viermal so viele wie bei Abbiegefehlern nach rechts mit 26 Todesfällen.
„Am gefährlichsten ist das Abbiegen selbst, vor allem bei Gegenverkehr“, sagt Kay Schulte, Leiter Unfallprävention Wege und Dienstwege beim DVR. „Die Geschwindigkeit entgegenkommender Fahrzeuge wird häufig falsch eingeschätzt. Zudem können entgegenkommende Motorräder oder Fahrräder leicht übersehen werden, weil sie von der A-Säule komplett verdeckt werden. Das ist die vertikale Stütze links und rechts der Windschutzscheibe.“
Rad- und Fußwege beim Linksabbiegen unbedint im Blick haben
Auch das Räumen der Kreuzung erfordert absolute Konzentration. Stehen Fußgängerinnen oder Fußgänger an der Straße, ist immer besondere Vorsicht geboten. Unabhängig davon, ob es eine Fußgängerampel gibt oder nicht. „Kinder könnten einfach loslaufen, auch ältere Menschen reagieren teilweise unvorhersehbar. Kreuzt ein Radweg, könnte dieser in beide Richtungen befahren werden. Der Blick nach links ist daher unverzichtbar, wird aber oft vergessen“, sagt Schulte. „Grundsätzlich sollte beim Linksabbiegen immer der Grundsatz gelten: Im Zweifel lieber zurückbleiben, zweimal gucken und dann erst losfahren.“
Beim Links-Einordnen auf einer mehrspurigen Straße ist ebenfalls defensives Fahren gefragt. Nur weil man selbst rechtzeitig den Blinker setzt, kann nie davon ausgegangen werden, dass nachfolgende Fahrzeuge das auch sofort registrieren. Entsprechend urteilen auch viele Gerichte, sollte es zu einem Unfall kommen: Wer beim Spurwechsel oder beim Linksabbiegen mit einem überholenden Fahrzeug kollidiert, muss mindestens mit einer Teilschuld rechnen, so Schulte.
Sicher links abbiegen
- Rechtzeitig blinken: Vor dem Spurwechsel und beim Abbiegen frühzeitig blinken.
- Rechtzeitig einordnen: Auf mehrspurigen Straßen vorausschauend einordnen. Wichtig: Erst Spur wechseln, wenn das nachfolgende Fahrzeug klar abbremsten
- Doppelter Seitenblick und Außenspiegelblick: Um überholende Fahrzeuge oder von links kommende Personen nicht zu übersehen, vor dem Blinken und während des Abbiegens in den Außenspiegel und dann zur Seite schauen.
- Klare Signale setzen: Kreuzen Personen zu Fuß oder auf dem Rad den Weg, anhalten und warten, nicht langsam auf sie zurollen!
- Defensiv fahren: Bei schlechter Sicht oder unklaren Signalen warten, bis die Situation einschätzbar ist.
- Auf dem Fahrrad: Besser indirekt links abbiegen. Radfahrende sollten zunächst geradeaus die Kreuzung überqueren und dann von rechts über die Straße fahren.
UnabdingbarFreie Sicht und korrekt eingestellte Spiegel
Immer alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer im Blick behalten – herausfordernd, vor allem in einem Lkw. „Zwar können Beschäftigte von dieser erhöhten Position aus die linke Seite besser überblicken als die rechte. Beim Linksabbiegen ist aber auch der Blick nach hinten wichtig, daher müssen Spiegel stets korrekt eingestellt sein“, sagt Bernd Hörter, Leiter Sachgebiet Fahrzeuge bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Die Sicht nach vorne und zur Seite muss zudem frei sein. Gegenstände vor der Front- und Seitenscheibe sind daher grundsätzlich verboten. „Sicherheitsaspekte wie diese sollten Teil der Unterweisungen sein“, sagt Hörter. „Hier können auch Sicherheitsbeauftragte unterstützen und im Arbeitsalltag auf solche Risiken hinweisen.“
Sicherheitsbeauftragte können Workshops anregen
Ebenso relevant für eine gute Unfallprävention ist eine offene Kommunikationskultur. „Vor allem aus Beinahe-Unfällen können alle etwas lernen. Deswegen sollten Beschäftigte ermutigt werden, diese nicht zu verschweigen, sondern offen anzusprechen,“ betont Kay Schulte vom DVR. Wichtig dabei ist: Auch Beschäftigte, die „nur“ ihren Arbeitsweg auf dem Rad oder im Auto zurücklegen, sollten für Risiken beim Linksabbiegen sensibilisiert werden.
„Sicherheitsbeauftragte können gezielt nachfragen. Etwa wenn ein Kollege oder eine Kollegin im Gespräch von einer entsprechenden Risikosituation erzählt.“ Stellt sich dabei heraus, dass ein Bedarf an Tipps und Hilfe besteht, sollte die zuständige Führungskraft informiert und zum Beispiel ein Workshop zum Thema Verkehrssicherheit im Betrieb angeregt werden.